Igitt, Garnituren in Raschelcord
Jeder hat seine eigenen Erfahrungen gemacht. Mit dem Neu-Land, vor allem aber mit den Ossis. Josef Schmücker zum Beispiel, der von Bochum nach Frankfurt/Oder wechselte und nun Kanzler der neugegründeten Europa-Universität ist. Ihm fällt gleich eine Geschichte ein, die er sicherlich gern und ganz bestimmt immer wieder erzählt. Sie ist nämlich so herzlich typisch: Der Kanzler hatte sich Bilder für sein neues Büro mitgebracht und bat den Hausmeister, diese aufzuhängen. Der aber griff erst einmal zum Telefon. Bei drei Stellen rief er an. Bei der ersten forderte er einen Hammer, bei der zweiten Nägel, bei der dritten fragte er nach, ob er die Bilder aufhängen dürfe. „Ich hab gedacht, ich kann mit denen genauso arbeiten wie mit meinen Leuten in Bad Oeynhausen.“
Auch für Heidi Tegtmeier ging diese Rechnung nicht auf. Einem Ehepaar hatte sie die Leitung ihres ersten Möbelgeschäfts übertragen - mit gutem Gehalt plus Provision. Da mußte doch alles laufen! Die Chefin kam nur aller 14 Tage vorbei, verließ sich darauf, daß schon richtig bestellt und verkauft würde. „Aber die
waren ihren Ost-Trott gewöhnt. Das begann damit, daß nicht mehr gearbeitet wurde, sobald der Umsatz drin war.“ Erst bei einem Kassensturz merkte sie, daß sie kurz vor der Pleite stand. Nun führt sie die Geschäfte selbst. „Damals war ich richtig fertig. Ich hatte denen doch solch eine Chance gegeben!“
Auch über die Kaufgewohnheiten ihrer neuen Kunden ist sie - schlicht gesagt - entsetzt: „Eiche rustikal, schön dunkel und natürlich billig. Polstergarnituren in Cord und Raschelcord und immer braunbeige. Und nie der Gedanke, daß man beige auch mal mit altrosa oder blau kombinieren könnte...“
So sind sie nun mal, die Ossis. Machen alles falsch, sind unselbständig, man muß ihnen nicht nur sagen, wo's langgeht, sie haben auch keinen Geschmack. Kleiden sich ungeschickt, essen zu fett, trinken die falschen Weine und richten sich bieder ein. Selbst Jens Oliva ist von seinen neuen Nachbarn in Prenzlauer Berg enttäuscht: „Alles lassen die sich gefallen. Die zittern, wenn der Hauseigentümer kommt und zahlen die hohe Miete, auch wenn sie die schon gar nicht mehr zahlen können. Warum wehren die sich kaum?“
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