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  • Brandenburg
  • Breites Bündnis gegen den Ausbau von Havel, Spree und Teltower Kanal:

Gerät das Projekt Nr. 17 ins Trudeln?

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Kritik am geplanten Ausbau der Wasserwege zwischen Hannover und Berlin wird immer lauter. In einer Pressekonferenz am Mittwoch hat der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) die totale Streichung des „Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 17“, das einzige für die Binnenschiffahrt vorgesehene Großprojekt im Bundes verkehrswegeplan '92, gefordert. „Gewichtige“ Politiker teilen mittlerweile vor allem die ökonomischen Bedenken des BUND.

Dem Ausbau der Wasserwege soll nach den Vorstellungen des Bundesverkehrsministeriums (BMV) ein Verkehrsmengenzuwachs in der Binnenschiffahrt und eine Entlastung der Straßen folgen. Für Großmotorgüterschiffe sind Verbreiterungen und Ausbaggerungen von Fluß- und Kanalabschnitten, Um- oder Neubauten von mindestens 36 Brücken geplant.

Ob die Wirtschaft von der Option auch Gebrauch machen wird, darüber gebe es, so BUND-Vorsitzender Hubert Weinzierl, keine zuverlässige Nutzen-Analysen. Auch das vom BMV bei der Firma Planco-Consulting in Auftrag gegebene Gutachten, das dem Projekt für jede investierte Mark einen sechsfachen Nutzwert bescheinigt, sei wenig aufschlußreich. Nach Ansicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) seien die Verkehrsmengenschätzungen von Planco nämlich deutlich überhöht und die Investitionen (vier Milliarden Mark sind für das Projekt vorgesehen) viel zu niedrig angesetzt.

Keine Chance hätten die Binnenschiffe im Konkurrenzkampf mit den flexibleren und schnelleren LKW, gab Gundula Oertel, Verkehrsreferentin des BUND-Berlin, zu bedenken: „Niemand wird auf die Idee kommen, die kürzlich so berühmt gewordenen Jo-

ghurttöpfchen plötzlich in Container auf Schiffe zu verladen“. Auch „ein Gigantismus“ (Weinzierl) könne an der mäßigen Auslastung der Wasserstraßen, derzeit 20 bis 30 Prozent, nichts ändern, zumal binnenschiffaktive Industrien „mehr oder weniger am Wegbrechen sind“.

Die Wasserschiffahrtsdirektion (WSD) Ost, mit der Umsetzung eines Großteils des Verkehrsprojekts Nr. 17 vom BMV beauftragt, sieht hinter der „unsachlichen Kritik“ des BUND ein politisches Kalkül. In einem ND-Gespräch äußerten sich Abteilungsleiter Hans-Joachim Schwerin und sein Kollege Egon Rassmus, Leiter der Baudirektion, verärgert darüber, daß der BUND die volkswirtschaftlichen Prognosen, die das BMV auf ein Verkehrsmengenzuwachs schließen lassen, nicht zur Kenntnis nehme: Wenn die Lebensverhältnisse der neuen Länder wie geplant bis späte-

stens zum Jahre 2010 auf das „Niveau des Westens“ angeglichen würden, müsse von einer größeren Verkehrsleistung auch im Binnenschiffverkehr ausgegangen werden. Der BUND aber plädiere für Nullwachstum, „was Rückschritt bedeuten würde“ (Schwerin). Entgegen dieser Sichtweise hatte Oertel am Mittwoch eine „grundsätzlich verkehrsvermeidende Politik“ gefordert.

Von Politiker-Seite haben sich Brandenburgs Umweltminister Matthias Platzeck, Berlins Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Volker Hassemer, und Wirtschaftssenator Norbert Meisner ablehnend zu dem Havelausbau geäußert. Ob das Projekt Nr. 17 im Gegenwind allmählich ins Trudeln gerät? Kaum, befürchtet Stefan Bundscherer, Sprecher vom BUND: „Schon aus symbolischen Gründen wird das BMV daran festhalten“.

STEEN LORENZEN

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