Wörter können tief verletzen

Sprachliche Diskriminierung ist ein gesellschaftliches Problem

  • Alexander Lang
  • Lesedauer: 3 Min.
Isabel E. hätte nie gedacht, dass ihr das Gerede nahe geht. Schimpfworte wie »Nigger« und »Mohrenkopf« ließ die Afroamerikanerin, die seit fast 40 Jahren in Deutschland lebt, lange einfach an sich abperlen. »Meine Mutter sagte immer: Stöcke und Steine können meine Knochen brechen, aber Worte werden mich niemals verletzen«, erzählt die 67-jährige. Dennoch traf es sie wie ein Schlag, als sie auf einem Jahrmarkt »Negerküsse« auf einem handgeschriebenen Plakat las. Plötzlich stand sie nicht mehr über den Dingen. Weder als Kind noch als Erwachsene habe sie rassistische Anfeindungen an sich herangelassen. Auch nicht, als man sie mit den Worten »Hier ist kein Platz für Sie!« von der Bierbank jagte. »Und jetzt, in meinem Alter, fühle ich mich durch Worte unerwünscht.« »Die Deutschen haben aufgrund ihrer Geschichte eine besondere ethisch-moralische Verpflichtung, sprachliche Rücksicht zu nehmen«, sagt Heidrun Kämper. Die Frage »Wer wird durch Sprache verletzt?« müsse der Maßstab dafür sein, ob ein Wort als diskriminierend oder rassistisch zu gelten habe, gibt die Sprachwissenschaftlerin vom Mannheimer Institut für Deutsche Sprache zu bedenken. Schließlich können Wörter als Mittel der Manipulation und zur Diskriminierung von Menschen missbraucht werden. Deshalb rät Heidrun Kämper zu großer Aufmerksamkeit beim Sprachgebrauch. Sprachwissenschaft, Medien und Schulen müssten vermehrt über die Geschichte von diskriminierend gebrauchten Wörtern aufklären. Ein Bewusstsein sei nötig, dass »bestimmte Wörter in bestimmten Zeiten« diskriminierend oder rassistisch gebraucht wurden. Nur Unwissenheit könne der Grund dafür gewesen sein, dass ein finnischer Handy-Hersteller mit dem Spruch »Jedem das Seine« warb, der über dem Lagertor des KZ in Buchenwald angebracht war. Zwar sei in Deutschland durch die Erfahrung aus der Hitler-Diktatur die Sensibilität für sprachlichen Rassismus gestiegen, betont Kämper. Problematisch sei jedoch der Trend, rassistische Sprache nur deshalb nicht zu benutzen, weil es die politische Korrektheit verbiete. »Wir müssen sprachlichen Rassismus aus der Sprache verbannen«, sagt Yonis Ayeh, Sprecher der »Initiative schwarzer Menschen«. Rund 2000 Mitglieder zählt der bundesweite Verein. Anders als Sprachwissenschaftlerin Kämper ist Ayeh davon überzeugt, dass die USA und Staaten mit langer Kolonialgeschichte wie Großbritannien, Frankreich oder die Niederlande sich gründlicher als Deutschland mit dem Problem des sprachlichen Rassismus auseinander setzen. Rassismus in Deutschland äußere sich meist unterschwellig: Schwarze Menschen würden etwa in Restaurants oder bei Behörden oft schlechter behandelt als weiße. »Worte können tief verletzen« , sagt Ayeh. Opfer von alltäglichem Rassismus versuchten, sich »eine dicke Haut« zuzulegen, doch nicht allen gelinge dies. Wenn die Rede von »Negerküssen« sei, müsse man »die Sprecher korrigieren, damit sie verstehen, dass man sich dadurch diskriminiert fühlen kann«.(epd)

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