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Wirtschaftsverbände lockern Verhältnis zur AfD
Lobbyverband »Die Familienunternehmer« gibt Brandmauer auf – andere Verbände diskutieren Kurswechsel
Der Wirtschaftsverband »Die Familienunternehmer« gibt seine bisherige strikte Abgrenzung zur rechtsextremen AfD auf. Das sogenannte »Kontaktverbot« zu AfD-Bundestagsabgeordneten sei mit dem »Parlamentarischen Abend« am 8. Oktober aufgehoben worden, sagte Verbandspräsidentin Marie-Christine Ostermann dem »Handelsblatt«. Mit diesem Kurswechsel wird die politische Isolation der AfD weiter aufgeweicht, die von Vertretern der Wirtschaft lange als »ökonomisches Standortrisiko« bewertet wurde.
Der Verband »Die Familienunternehmer« vertritt rund 6500 Familienunternehmer, darunter auch Großkonzerne wie BMW und Merck. »Für uns war die Brandmauer eine totale Isolation der AfD«, erklärte Ostermann, wobei dies nicht für die Landesverbände galt. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Albrecht von der Hagen, formulierte auf dem Treffen laut »The Pioneer« deutlicher: »Das Konzept, die AfD von allem auszuschließen, ist gescheitert. Wir verabschieden uns von den Brandmauern.«
Zur Begründung führt Ostermann an, man wolle die AfD nun »politisch stellen«. Das gelinge nicht, wenn man »ausschließlich in den Kategorien gut oder böse« über die Partei spreche. Stattdessen wolle man zeigen, dass AfD-Politiker häufig »inhaltlich blank oder widersprüchlich« seien. Gleichzeitig betonte sie, »dass wir trotz Gesprächen eine AfD auf keinen Fall als Koalitionspartner in einer Regierung sehen wollen«.
Wie genau ein Wirtschaftslobbyverband, der primär Unternehmensinteressen vertritt, eine Partei »politisch stellen« will, bleibt dabei unklar. Tatsächlich bedeutet die Einladung zu Verbandstreffen eine Normalisierung der AfD im Wirtschaftsmilieu – unabhängig davon, welche inhaltlichen Debatten dort geführt werden.
Der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW) kommt zur selben Punkt. Bundesgeschäftsführer Christoph Ahlhaus verwies laut »Handelsblatt« auf die hohen Umfrage- und Wahlergebnisse der AfD. Diese »sprechen derzeit nicht dafür, dass die Strategie der Brandmauer erfolgreich funktioniert hat«. Es gebe eine »lebhafte« Debatte in der mittelständischen Wirtschaft über die AfD. Sein Verband werde sich »nicht wegducken und in seinen Gremien zeitnah eine Position erarbeiten«. Auf regionaler Ebene hätten AfD-Vertreter bereits »vereinzelt an Veranstaltungen des BVMW teilgenommen«. Anders positioniert sich die »Stiftung Familienunternehmen«. Laut »Handelsblatt« hält sie an ihrer Abgrenzung zu extremen Parteien fest – wozu sie auch die Linke zählt. Weder AfD- noch Linke-Vertreter*innen würden zu Veranstaltungen eingeladen.
Die Positionsänderungen der Wirtschaftsverbände fallen in eine Phase, in der Bundeskanzler Friedrich Merz und seine schwarz-rote Koalition zunehmend unter Druck stehen. In Teilen der CDU gibt es Stimmen, die eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht mehr ausschließen wollen. Während des Streits in der Regierung um das Rentenpaket kam es vermehrt zu Gerüchten über Planspiele in Teilen der CDU, die sich gegen Merz stellen, eine Minderheitsregierung anzustreben und sich von der AfD tolerieren zu lassen. Dass nun auch Wirtschaftsverbände die Isolation der AfD aufgeben, erhöht den Druck auf die Regierung weiter.
Für Merz, der sich als Kanzler auch als Garant einer klaren Abgrenzung von der AfD positioniert hatte, sind die Signale aus der Wirtschaft ein Problem. Sie zeigen, dass selbst in Teilen der traditionell unionsnahen Unternehmerschaft die Bereitschaft schwindet, die AfD konsequent auszugrenzen.
Kritik kommt von Janine Wissler, der wirtschaftspolitischen Sprecherin der Linken Bundestagsfraktion: »Es ist absolut unverantwortlich, die AfD als legitimen politischen Akteur anzuerkennen«, so Wissler. »Die NSDAP kam 1932 nach den formal-demokratischen Wahlen mithilfe konservativer Politiker und Unternehmer an die Macht. Entweder haben «Die Familienunternehmer» und der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft aus der deutschen Geschichte nichts gelernt, oder sie nehmen die Aushöhlung der Demokratie bewusst in Kauf, weil sie politische Schnittmengen mit der AfD haben, z.B. in der Sozialpolitik und bei der Unternehmens- und Erbschaftsteuer.« mit AFP
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