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  • Kultur
  • Erfolgreiche Studioinszeriierung des Berliner theater im palais

Psychogramm einer Diktatur

  • Lesedauer: 2 Min.

Es gibt sie noch, die Künstlerförderung. Etwas davon war jetzt im tip, dem theater im palais am Berliner Festungsgraben, zu erleben: Zwölf junge angehende Schauspieler konnten sich in einer Studioinszenierung, die von der Senatsverwaltung für Soziales/Künstlerförderung finanziert wurde, der Öffentlichkeit zeigen. Sie hatten eine einjährige Aus- und Fortbildung im Studio des tip erfahren, in die auch Schauspieler bekannter Ostberliner Bühnen einbezogen waren. Einige der Studenten haben inzwischen ihre Bühnenreifeprüfung vor einer Prüfungskommission abgelegt und sind an Theatern oder für bestimmte Projekte engagiert. Drei von ihnen beginnen ihr Studium an den Schauspielschulen in Berlin und Leipzig

- insgesamt ein überzeugender Leistungsnachweis dieses Studios beim tip, dem man noch weitere gute Jahre wünscht.

Aber auch das, was die junge Truppe da am Abend zeigte, bewies seriöses Rüstzeug für weitere Professionalisierung. Es wurde erfrischend spontan und zugleich künstlerisch diszipliniert gespielt, Arrangements und Situationen gut ausgefüllt (Regie: Marcus Staiger). Mir fiel - bei aller Unterschiedlichkeit der Individualitäten und Anlagen

- der versammelte Ensemblegeist auf, sensible und wache Partnerbeziehung, die sich einfügt und nicht eitle Selbstdarstellung sein will - unverzichtbare methodische Grundlagen, die weiter ausgebaut zu werden verdienen.

Gerade angesichts des Unfugs, der in Privatschulen passiert und die junge Szene zunehmend dem Mittelmaß oder einem marktorientierten, leeren Perfektionismus überläßt.

Das Stück „Die Welle“ von Reinhold Tritt war für den Zweck gut ausgewählt: Es geht um junge Leute, um Disziplinierung ihrer Individualität zum falschen, gefährlichen Korps-Geist. Anlaß ist der Ärger des Mister Ross, Geschichtslehrer in einer USamerikanischen Schule, über seine Schüler. Sie stehen der historischen Tatsache, daß es Hitler gelungen war, ein ganzes Volk widerstandslos zu machen und für seine Machtpolitik zu begeistern, ungläubig und lax desinteressiert gegenüber. Er startet ein päd-

agogisches Experiment, und es gelingt ihm, Teamgeist in die Klasse zu bringen, Disziplin und begeisternde Motivation zum Gehorsam, der bald umschlägt in gewalttätige Unterdrückung anderer. Gleichschaltung des Individuums wird plötzlich „positiv“ erlebbar. Es entsteht das Psychogramm einer Diktatur, das freilich ahistorisch ist und die produktiven Werte von Disziplin, Teamgeist und Miteinanderlebenwollen undialektisch überführt in Basiswerte faschistoiden Verhaltens.

Dennoch: Ein anregender Abend mit vielen Bezügen zu unserer Gegenwart und gespielt vor einer engagierten, selbstbewußten jungen Truppe.

KLAUS PFUTZNER

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