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Rote Karte für »Bimmel-Bingo«

FAB und ProSieben klagten gegen Medienanstalt

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.
In zwei Gerichtsverfahren wurde gestern vor dem Verwaltungsgericht gegen die Medienanstalt Berlin-Brandenburg geklagt. Im ersten Prozess wollte der Sender FAB Fernsehen aus Berlin auf dem Klageweg eine Sendeerlaubnis für die ganztägige Verbreitung seines Programms über eine Dauer von sieben Jahren erstreiten. Nach einer Entscheidung der Medienanstalt darf FAB ab Februar 2004 täglich nur noch zwischen 12 und 24 Uhr senden. Als Begründung nannte die Medienanstalt, bei FAB sei nicht die Notwendigkeit eines 24-stündigen Programms zu erkennen. Da die Kabelfrequenzen begrenzt seien, habe man sich dafür entschieden, nur für die zweite Tageshälfte Frequenzen zur Verfügung zu stellen. FAB sende nur zwischen drei und vier Stunden ein neues Programm, in der anderen Zeit würden Wiederholungen und Übernahmen gebracht. Das aber laufe der angestrebten Medienvielfalt in der Region zuwider. Der FAB-Vertreter verwies auf die wirtschaftlichen Folgen, weil gerade der Bereich Tele-Shopping in den Vormittagstunden dem Sender Gewinne bringe. Zudem: Als die erste Genehmigung für den 24-Stunden-Betrieb 1994 erfolgte, habe man auch nicht weniger Wiederholungen im Programm gehabt. Die zweite Klage kam vom Sender ProSieben. Hierbei ging es um Beanstandungen der Medienastalt zur Sendung »TV total« im Winter 2001/2002. In dieser Sendung wurde etwas veranstaltet, was sich »Bimmel-Bingo« nannte. Ein Reporter mit Namen »Elton« zog zwischen 0 und 3 Uhr mit einem Kamerateam von sechs Personen vor Haustüren von Einfamilienhäusern. Dann wurden die Bewohner aus den Betten geklingelt und mit dem Türöffnen unter Nennung des Namens die verschlafenen Leute gefilmt - mit und ohne Schlafanzug. Gegen Geld sollten die Filmopfer dann die vom Moderator festgelegten Sätze in die Kameras sagen: »Haut hier sofort ab!« »Noch einmal und ich bringe euch um!« oder »Elton, wie schön, dich zu sehen!«. Das Gericht nannte drei Betroffenen-Gruppen. Die eine akzeptierte das Spektakel und kassierte dafür zehn Euro. Die zweite war zunächst empört, ließ sich dann aber doch überreden mitzumachen. Dafür gab es bis zu 20 Euro Entwürdigungsprämie. Einige Betroffene empfanden diesen Überfall als Beeinträchtigung ihrer Persönlichkeitsrechte und gegen ihre körperliche Unversehrtheit gerichtet. Trotzdem wurden die Beiträge gesendet. Eine Frau klagte dagegen und bekam 2500 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Die Medienanstalt beanstandete die Beiträge und forderte den Sender auf, geschätzte Werbeeinnahmen im Zusammenhang mit den Verstößen in Höhe von 75000 Euro abzuführen. Dagegen wehrte sich der Sender. In der Verhandlung verwies die Medienanstalt darauf, dass die Sendung mit Stefan Raab nicht selten am Rande der Verletzung von Persönlichkeitsrechten wandele und der Sender dafür auch schon mehrfach verurteilt wurde. Nächtliche Ruhestörung stelle eine potenzielle Gesundheitsgefährdung dar, was die juristischen Begleiter von »TV total« natürlich zurückwiesen. Die Richter sahen sich bei der Kompliziertheit der Materie außerstande, wie sonst üblich gleich nach den Verhandlungen ein Urteil zu verkünden. Nach dem Verlauf der Sitzungen könnte es sein, dass FAB ab Februar nur noch in der zweiten Tageshälfte sendet und ProSieben die Werbeeinnahmen abführen muss.

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