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  • Brandenburg
  • „Licht und Farbe“ zur U-Bahn-Linie 8 in der Kleinen Humboldt-Galerie

Die U-Bahn lebt! Es lebe die U-Bahn!

  • Lesedauer: 3 Min.

Hechtet der Mensch normalerweise durch die Gewölbe der U-Bahnhöfe, ohne nach rechts und links zu sehen, so lenkt die Ausstellung „Licht und Farbe im Berliner Untergrund - U-Bahnhöfe der Klassischen Moderne“ seine Aufmerksamkeit gerade auf die sonst unbeachteten Details. Mit der Ge-

schichte der U-Bahnlinie 8, die in der Kleinen Humboldt-Galerie mit Fotos und einem Video sowie vor Ort mit Führungen beleuchtet wird, ist ein gutes Stück Stadtgeschichte verknüpft. „Das ist ein bislang ungenutztes touristisches Potential“, sagt Andrea Krausch, Leiterin des Ausstellungsprojekts.

Ein Erfolg ist ihr bereits bescheinigt: Auf das Engagement der U-Bahn-Historiker hin wurden die Bahnhöfe der

Linie 8 in die Liste der Denkmäler aufgenommen und somit als schützenswert anerkannt. Für so manche Renovierung kommt der Denkmalstatus allerdings fast zu spät: Personalhäuschen, Umbauten und Pfusch in Neubekachelungen haben die ursprüngliche Klarheit der Architektur

zum Beispiel am Hermannplatz schon massiv zerstört.

Als Mahnsignal steht in der Galerie daher eine Konstruktion aus Originalteilen, die die Untergrundforscher vorm Müllcontainer retteten, und neuen Kacheln. Letztere muten wie billige Kopien an, entsprechen in Farbe und Struktur nicht im mindesten dem zarten Gelb aus den 20ern. Da sieht es in den ehemaligen „Geisterbahnhöfen“ wie Heinrich-Heine-Straße besser

aus: Während der Teilung Berlins wurden sie nicht genutzt, weniger abgenutzt.

Von der Station Leinestraße in Neukölln bis Gesundbrunnen im Wedding reicht die Dokumentation. Anders als für die „Tube“ in London oder die „Metro“, die Paris zu einem Tunnelsystem mit Schweizer-

Käse-Effekt macht, kann im sandigen Berliner Boden nicht im röhrenbildenden Untertagebau gegraben werden. Daher ist es eine „Unterpflasterbahn“, die meist unter Stra-ßen verläuft. Obwohl schon 1907 ins Auge gefaßt und 1912 definitiv geplant, konnte die Nord-Süd-Achse im Untergrund erst 1927-30 in verschiedenen Etappen eröffnet werden. Dafür glänzte dann der U-Bahnhof Hermannplatz mit den ersten öffentlichen

Rolltreppen Deutschlands und dem ersten Direktaufgang in ein Kaufhaus. Mit einer Ausnahme, dem von Peter Behrens gestalteten Moritzplatz, stammen die U-Bahnhöfe vom Architekten Alfred Grenander.

Der Schwede, schon seit 1890 in Berlin tätig, modellierte einen eigenen Stil in den U-Bahnen und bediente sich der sprechenden Architektur, die sich besonders gut am Alexanderplatz lesen läßt: So zeigen unverkleidete Stahlpfeiler an, daß darüber oder darunter horizontal die U-Bahn verläuft. Gekachelte Pfeiler hingegen kennzeichnen ein vertikales Treppenhaus. Das perlmutt schimmernde Türkis am Alex gehört genauso zum Konzept der Neuen Sachlichkeit wie das Aquarienblau in der Weinmeisterstraße, die zugleich den „Normtyp“ der Berliner U-Bahn puristisch darstellt: Stützpfeiler in der Mitte des Bahnsteigs teilen die Station in zwei Schiffe.

Daß am Moritzplatz mal ein Wertheim-Kaufhaus stand, weshalb die U-Bahn hier und nicht am Oranienplatz hält, daß die Glasur der Kacheln da selbst nach einem verlorengegangenen Rezept gefertigt ist und daher einzigartig, und daß die Lichtkapitelle an den Pfeilern am Alex der niedrigen Deckensituation etwas Schwebendes verleihen sollten, ist in der Ausstellung zu erfahren. Historische Fotos zeigen die indirekte Beleuchtung, wie sie vom Erfinder gedacht war: U-Bahnhöfe nicht in grellem Neon-, sondern in weichem Schummerlicht, das Reflexe auf die strukturierten Kacheln wirft.

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