Die Königin und der Cäsar

Bush-Rede in London

Natürlich hat sich George W. Bush nicht vom bizarren diplomatischen Streit zwischen London und Washington über die Frage anstecken lassen, ob denn seine Visite tatsächlich der erste »richtige« Staatsbesuch eines USA-Präsidenten an der Themse sei. Er beschwor gestern bei seinem Auftritt in königlichen Gemächern die angloamerikanische »Allianz der Werte«, die auch in Irak so wunderbare Ergebnisse zeitige. Manchmal müsse die Demokratie eben mit Gewalt verteidigt werden. Doch nicht nur für den in London lebenden Historiker Eric J. Hobsbawm, einen der letzten Universalgelehrten, zeigt die jede Erfahrung der Diplomatie einfach ignorierende Bush-Administration alle »Zeichen von Größenwahn«. Dieses Weltreich stehe mitnichten für das Gute, seine Werte seien keineswegs die aller. Der Präsident tat derweil, was er seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 mit besonderer Inbrunst tut: Er verkaufte die USA als Modell-Demokratie und Gralshüter der Freiheit. Sein Problem ist allerdings, dass mit der Art und Weise seines Anti-Terror-Krieges selbst bei Verbündeten Kritik und Misstrauen wachsen. Viele sehen das Amerika des George W. Bush als militärischen Moloch, der sich die Welt unterwerfen will. Weit über 700 ausländische Stützpunkte sichern das Imperium und wahren seine Öl- und anderen geostrategischen Interessen. Wenige Stunden, bevor Bush in seiner Londoner Rede Massenvernichtungswaffen in den Händen von Diktatoren als größte Gefahr der Gegenwart geißelte, hat der Washingtoner Kongress den Etat für die Entwicklung völlig neuartiger Atombomben gebilligt. Damit sollen bald unterirdische Ziele zerstört werden - etwa 10000 in über 70 Ländern haben die Generäle schon ausgemacht. Der soeben verabschiedete Rekordetat von mehr als 400 Milliarden Dollar Militärausgaben für das Finanzjahr 2004 zeigt, dass Militär und Rüstungsindustrie längst zu einer Art Staat im Staate geworden sind. Das Land befindet sich in einem mit patriotischen Argumenten geschürten permanenten Ausnahmezustand. Die Briten mögen ihre Queen haben, George W. Bush aber scheint sich als Cäsar der Neuzeit zu sehen, der sic...

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