Sachsen »belohnen« Freizeit-Bürgermeister

In Machern bei Leipzig schützt die sächsische Gemeindeordnung den seit 2002 wegen Untreueverdachts suspendierten Gemeindechef Ralf Ziermaier: Würde er abgesetzt werden, erhielte er noch fünf Jahre ein fettes Salär.

Steht Ralf Ziermaier dieser Tage auf der Terrasse seines großzügigen weißen Märchenschlosses, das er sich am Rand des Macherner Ortsteils Gerichs- hain bauen ließ, wird er sich kaum ein Grinsen verkneifen können. Sein Blick schweift dann hinunter auf die Siedlung von über 100 Eigenheimen Marke »Volkshaus«, die längst als »Wallhausen« firmiert: Sie zwängt sich zwischen den hohen Schutzdamm an der ICE-Strecke Leipzig-Dresden und eine neue Hochstraße. Nicht nur der daraus resultierende Wertverfall machte den Bewohnern zu schaffen. Viele der um 1995 entstandenen Häuser weisen auch massive Baumängel auf, doch Gerichtsverfahren laufen ins Leere. Die Bauträgerfirma befreundeter Unternehmer, die Ziermaier seinerzeit als CDU-Bürgermeister ins Dorf holte, ist längst pleite. Und auch die von ihm nebenher geführte kommunale Bau- und Wohnungsgesellschaft, die die Crashfirma übernahm, ging in Insolvenz - so wie praktisch der ganze 6700-Seelen-Ort Machern. Rund 39 Millionen Euro Schulden lasten auf dem schönen Ort, knapp 6000 Euro pro Einwohner. Seit Mitte 2002 die Staatsanwaltschaft seine Amtsräume wegen des Verdachts der Untreue durchsuchte, agiert Ziermaier auch nicht mehr als Gemeindechef. Der Landrat des Muldentalkreises suspendierte ihn; seither schleppt sich ein Ermittlungsverfahren dahin. Doch nur körnchenweise kommen immer neue Dinge ans Licht, die seine Politik beleuchten. Der 45-Jährige soll nicht nur wie ein Despot regiert haben. Ihm werden auch die Verheimlichung von unliebsamen Zusammenhängen vorm Gemeinderat, Vetternwirtschaft und Privatfahrten mit dem Dienst-Pkw vorgeworfen. Der einstige CDU-Hoffnungsträger hat sein Amt wohl schamlos zur Selbstbereicherung in Millionenhöhe ausgenutzt. So fand man nun heraus, wer hinter der Firma »Viora« stecken soll, der er für technische Erschließungsarbeiten an einem Neubaugebiet 1,6 Millionen Mark aus der Gemeindekasse überwiesen haben soll: Die Empfänger Viola und Ralf seien der Bürgermeister und seine Gattin. Auch Teile des Honorars für ingenieurtechnische Leistungen für Macherns allzu protziges neues Rathaus - gezahlt an eine Firma AI - dürften direkt in seine Taschen geflossen sein. Denn neben einem weiteren CDU-Gemeinderat war er hier stiller Teilhaber. Doch ein korrupter Gemeindechef ist in Sachsen praktisch kaum oder nur mit hohen finanziellen Verlusten wieder loszuwerden, zumal wenn er offenbar noch immer große Teile des Gemeinderates hinter sich weiß. Hier handelten einige nach dem Motto: »Haltet den Dieb, er hat mein Messer im Rücken!«, schimpft Uwe Richter von der Freien Wählergemeinschaft sarkastisch. Was er meint, sind recht eigennützige Interessenlagen einiger Volksvertreter im Ortsparlament, über die man in Machern schon seit Jahren tuschelt. So verurteilte der Gemeinderat bislang weder offiziell den beurlaubten Ex-CDU-Mann noch konnte man sich Mitte November entschließen, ein Abwahlverfahren gegen ihn einzuleiten. 15 von 16 Gemeinderäten plädierten in geheimer Abstimmung dagegen. Selbst Andreas Holtz (PDS), einer der Initiatoren des Abwahlantrages, machte wieder einen Rückzieher. »Wir würden Ziermaier damit nur einen Riesengefallen tun und der Gemeinde weiter schaden«, bedauert er dies. Und er hat einigen Grund zu der Annahme. Denn derzeit erhält der Beurlaubte noch immer die Hälfte seines Gehalts, monatlich gut 2500 Euro. Seine Abwahl durch das Volk - anders geht es in Sachsen nicht, da er direkt gewählt ist - wäre indes wie ein goldener Handschlag für ihn. Denn in diesem Falle bekäme er laut sächsischer Gemeindeordnung zunächst wieder für drei Monate sein volles Salär und dann für weitere fünf Jahre gut zwei Drittel seiner Bezüge. Doch schon die 4000 Euro, die ein Abwahlverfahren kostet, gebe die Rathausschatulle nicht mehr her, beklagt der mittlerweile eingesetzte Amtsverweser Frank Lange (CDU). Der Ort sei schlicht pleite. So beschloss das Parlament denn auch noch in gleicher Sitzung mehrheitlich, die Gebühren für Kinderkrippe, Schulhort, Schulessen und Bibliothek teils kräftig hochzusetzen. Von sich aus könne der Staat Ziermaier erst dann den Geldhahn zudrehen, wenn man ihm Vorsatz nachweist und er zu mindestens einem Jahr Gefängnis verurteilt werde, sagt der Leipziger Oberstaatsanwalt Norbert Röger. Doch so weit sei es noch lange nicht, derzeit würden die Ermittlungen gegen ihn gar noch ausgeweitet. Freilich gebe es noch zwei weitere Wege, die Sache sauber und ohne zusätzliche Kosten zu bereinigen. Der eine wäre ein freiwilliger Rücktritt des »Freizeit-Bürgermeisters«, der daran aber offenbar nicht im Schlafe denkt. Der andere hieße Neuwahlen nach dem geschlossenen Abdanken des Gemeinderates. Aber auch das lehnen die meisten Volksvertreter klar ab. Es stört sie offenbar auch nicht, dass sich ihre Rolle während Ziermaiers Alleinherrschaft immer zwielichtiger darstellt. So sind etwa Sitzungsprotokolle des Wirtschaftsbeirates, der investive Handlungen des Bürgermeister abzusegnen hatte, reihenweise verschwunden. Weshalb, so fragen sich viele Leute im Ort, kann sich der suspendierte Bürgermeister für so viel Geld nicht wenigstens im Ort nützlich machen? Immerhin gebe es im schönen Schlosspark viel zu tun. Auch hier schützt Ziermaier Sachsens Gemeindeverordnung: Wahlbeamte müssen das nicht. Sogar im Grimmaer Kreistag sitzt er weiterhin, nunme...

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