Fraktionschefs knabbern an Keksen und Gerichtsurteil

Koalition und Opposition gehen angesichts der Finanznot aufeinander zu / Enquete-Kommission geplant

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
Wenn die Silvesterraketen steigen, interessiert es keinen Buchhalter mehr, dass der Landeshaushalt 2002/2003 verfassungswidrig war. Die Politiker dürfen nicht so vergesslich sein. Es gilt, für die kommenden Jahre Etats aufzustellen, die vor Gericht Bestand haben. Gestern ab 10.30 Uhr trafen sich alle Fraktionsvorsitzenden im Abgeordnetenhaus, um über den Fortgang der Haushaltsdebatte zu beraten.
Eingeladen hatte SPD-Fraktionschef Michael Müller- zum Frühstück, wie es vorher hieß. Doch es sollen nur trockene Kekse auf den Tisch gekommen sein. »Es gibt keine Blockadepolitik und keine weitere Klage der Opposition um jeden Preis«, resümierte Müller hinterher.
Die Chefs der Koalitionsfraktionen loteten bei ihren Amtskollegen von der Opposition aus, ob man sich nach dem Verfassungsgerichtsurteil auf eine »gemeinsame Linie« einigen könne. »Das ist nur begrenzt gelungen«, bekannte PDS-Fraktionschef Stefan Liebich. Immerhin seien sich alle Seiten einig, dass das Urteil nicht das Ende von Politik bedeute. Gestaltungsspielräume seien noch vorhanden.
Wie die Abgeordneten die Zukunft der Stadt planen können, damit soll sich eine Enquete-Kommission befassen, die den Rat von Experten einholt. Die Idee dazu hatte die CDU. Die Konservativen überzeugten die FDP und die Grünen davon. Damit war die erforderliche Anzahl von Stimmen schon beisammen. Es war klar, dass die Kommission kommen würde. Nun schließen sich Müller und Liebich an. Sie wollen ihren Fraktionen die Bildung der Enquete-Kommission vorschlagen.
Das Gremium dürfe keine »Honoratioren-Veranstaltung« werden, forderte CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer. Nach Ansicht der Grünen braucht die Kommission einen »klar umrissenen Auftrag«, der bis Herbst 2004 zu erfüllen sei. Weiter offen ist die Frage, ob es einen Doppelhaushalt gibt oder ob zunächst nur der Etat für das Jahr 2004 aufgestellt wird, wie die Grünen und mittlerweile auch die FDP es möchten. Die PDS redet bei ihrer turnusmäßigen Fraktionssitzung am Dienstag über diese Frage. Die persönliche Meinung von Liebich ist: »Es gibt noch etwas anderes als Haushaltsberatungen.« Es wäre nicht gut, schon wieder über den Etat 2005 verhandeln zu müssen, kaum sei der Etat für 2004 durch. Es sei auch mal notwendig, über Dinge zu reden, die kein Geld kosten.
Das Parlament soll ab Dezember über den neuen Haushalt debattieren, sobald der Senat ihn nachgebessert hat. Wenn es nach der Koalition geht, soll das Plenum möglichst Ende Januar, spätestens im Februar beschließen.
Das Treffen der Fraktionschefs »könnte der Startschuss für konstruktive Verhandlungen zwischen Koalition und Opposition für ein Sanierungs- und Konsolidierungsprogramm Berlins sein«, finden die Grünen-Fraktionschefs Sibyll Klotz und Volker Ratzmann. Bereits am Dienstag beschlossen die Grünen Eckpunkte, an denen sie sich bei Verhandlungen mit der Koalition orientieren wollen. Dazu gehört das Ziel, bis 2008 beim Personal 1,1 Milliarden Euro zu sparen.

Enquete-Kommission
»Das Abgeordnetenhaus hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachverhalte in einem Lebensbereich Enquete-Kommissionen einzusetzen. Diesen gehören auch vom Präsidenten des Abgeordnetenhauses auf Vorschlag der Fraktionen berufene sachverständige Personen an, die nicht Mitglieder des Abgeordnetenhauses sind.«...

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