»Maximum an Kultur« am Ort des Übergangs

Bevor der Palast abgerissen wird, soll er noch genutzt werden/Initiative mit 1000-Tage-Programm

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Was haben Staatsoper, Volksbühne, Sophiensaele, Volker Schlöndorff, Udo Lindenberg, Sasha Waltz gemeinsam? Sie wollen den Palast der Republik zwischennutzen. Davon lassen sie sich auch durch den Abrissbeschluss des Bundestages nicht abschrecken. Ungeachtet dessen, dass Stadtentwicklungssenator Peter Strieder den Palast schon ab Frühjahr 2005 schleifen lassen will, stellte der Verein Zwischen-Palast-Nutzung gestern ein »1000-Tage-Programm« für die Bespielung des Rohbaus vor, in symbolischer Anlehnung an die 1000 Tage Palast-Bauzeit. In dieser Frist könne der Palast nun ein »Ort des Übergangs werden«, als solcher sei er keine Last, sondern »ein Geschenk der Geschichte, das auf Benutzung wartet«, so Vereinschefin Amelie Deuflhard. Wobei die 1000 Tage nicht so wörtlich zu nehmen sind. »Wir können auch mit anderen Zeiträumen leben«, erklärte Architekt Philipp Oswalt. Man respektiere schließlich den Parlamentsbeschluss, auch wenn man ihn für Aktionismus halte. Es werde einfach nicht akzeptiert, dass es kulturelle Palast-Projekte gibt. »Das Problem ist nicht das Zeitfenster, sondern die Abwicklung von Kulturpolitik«, befand Oswalt, anspielend auf den Beschluss, in dem von Zwischennutzung nicht die Rede ist. Deshalb nehme man sich die »Frechheit der 1000 Tage« heraus. Die sollen nächstes Jahr im Mai beginnen. 250 Projektvorschläge sind bisher dafür eingegangen, die mit ironischem Bezug zur einstigen Palast-Nutzung drei Bereichen zugeordnet werden: Politik, Kommunikation und Unterhaltung. Die Staatsoper ist mit der Kammeroper »Nacht« vertreten, die Volksbühne mit »Berlin Alexanderplatz«, David Bowie und Udo Lindenberg wollen Konzerte geben, Volker Schlöndorff (»Das Gebäude schreit danach, benutzt zu werden.«) »Fidelio« inszenieren. Unter das Thema Kommunikation fallen die Ausstellung »Ein Palast und seine Republik« oder ein »Lesemarathon der verbotenen Bücher«, unter Politik der Volkskammerklassiker »Ich liebe euch doch alle« und die Suche nach den einstigen Palast-Asbest-Arbeitern der Brigade Schaller. Funktionieren soll alles so ähnlich wie eine Volkshochschule oder das Internet: Allen offen zugänglich sein. Als Spielstätte soll vor allem das Foyer genutzt werden, was je nach Bedarf und Möglichkeit »modulhaft« ausgeweitet werden könnte. Es wird wie im vergangenen Sommer eine Art Baustellenbespielung geben, die Umbauten sollen auf Sparflamme und die Kosten unterhalb der noch bis vor kurzem veranschlagten Summe von 1,2 Millionen Euro gehalten werden. Geplant ist lediglich, von außen vier Nottreppentürme an das Gebäude zu stellen, eine mobile Sprinkleranlage soll den Brandschutz sicherstellen. Noch in diesem Jahr will die Initiative dafür den Bauantrag einreichen. Das Problem: Sie hat kein Mandat, über die Nutzung zu verhandeln, weder mit Sponsoren noch mit den Projekten. Die Initiative fordert deshalb vom Eigentümer Bund den Abschluss eines Nutzungsvertrags. Doch die Verhandlungen mit dem Bundesvermögensamt verliefen bisher »mau«, klagen die Zwischennutzungsaktivisten. Durch ihre Passivität würden die Kulturpolitiker den Palast Behörden überlassen, die ausschließlich an kommerzieller Verwertung interessiert seien. »Auch wir brauchen Sponsoren, deren Gelder sollen aber ausschließlich den kulturellen Projekten zugute kommen«, so Oswalt. Schließlich gehe es um einen öffentlichen Ort, der nicht nach betriebswirtschaftlichen Prinzipien organisiert werden kann. Doch eine Nutzung durch die Initiative läuft für das Bundesvermögensamt auf eine Monopolstellung hinaus. Es gebe aber mehrere Interessenten, so Sprecher Helmut John. »Wer zuerst kommt, malt zuerst«, lautet das Prinzip der Behörde. Außerdem würden Nutzer bevorzugt, die was bezahlen. Die Initiative will den Palast jedoch kostenfrei nutzen und keinesfalls dem Kommerz ausliefern. »Statt einem Maximum an Geld bieten wir ein Maximum an Kultur«, verspricht Jörn Weisbrodt von der Staatsoper. Die Zwischennutzung verstehen sie schon als »Testfall für den Ernstfall Neugestaltung«.
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