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Inflation des Dollar

Heute: Robert Kurz

  • Lesedauer: 4 Min.
Still und unaufhörlich wächst das Handels- und Kapitalbilanzdefizit der USA vor sich hin und hat eine astronomische Größe erreicht. Man ist inzwischen daran gewöhnt. Die ganze Welt legt ihr überschüssiges Kapital, das wegen der globalen Überkapazitäten nicht mehr rentabel reinvestierbar ist, in den USA an und kauft dort Aktien und Staatsschuldpapiere. Mit den beispiellosen Geldschulden im Ausland kaufen die USA die überschüssigen Waren derselben Welt auf, für die sich sonst mangels Kaufkraft auf Grund von Rationalisierung, Massenarbeitslosigkeit und -armut keine Käufer mehr finden würden. Die fällige Weltwirtschaftskrise wird damit gemildert und ständig weiter hinausgeschoben. Fast scheint es so, als hätte der globale Kapitalismus dank der Absorptionsfähigkeit der letzten Supermacht das ökonomische Perpetuum mobile erfunden. Nach dem Lehrbuch sind die Export-Einbahnstraßen in die USA ein Ding der Unmöglichkeit. Eine Nationalökonomie kann nicht auf Dauer derart viel mehr importieren, als sie exportiert. Wenn die USA nicht durch gesteigerte Exporte nach Asien, Europa usw. selber den Ausgleich wieder herstellen, müssen die immensen Ungleichgewichte früher oder später zu einer gewaltsamen ökonomischen Kontraktion führen. Vergesst die Lehrbücher, behauptet schon seit einigen Jahren der US-Ökonom Paul Krugman, denn Staaten konkurrieren ja nicht wie Unternehmen miteinander. Unter den Bedingungen der Globalisierung sei es naiv, weiter anzunehmen, dass die Erfolgsrechnung einer Volkswirtschaft ihre Handelsbilanz ist. Import und Export, so Krugman, finden jetzt auf einer betriebswirtschaftlichen Ebene statt. Und da haben gerade US-Firmen große Teile ihrer Produktionskapazitäten wegen des Billiglohns und anderer Kostenfaktoren nach China verlagert, das inzwischen als Drehscheibe in ihren globalen Produktionsnetzen fungiert. Was als Export Chinas in die USA erscheint, ist in Wirklichkeit die Belieferung von US-Kunden durch US-Konzerne. Deshalb macht es gar nichts, wenn in den USA überhaupt keine Laptops mehr hergestellt werden, meint Krugman frohgemut. Leider ist dem US-Ökonomen ein Anfängerfehler unterlaufen. Auf der Ebene des stofflichen Güterflusses hat er zwar recht, da handelt es sich beim Import aus China gewissermaßen um eine inneramerikanische Angelegenheit. Dem Kapital geht es aber nun einmal nicht um die stoffliche Güterproduktion, sondern diese dient einzig der Akkumulation von Geldkapital. Das Geld, das der Zweck der ganzen Übung ist, kann sich genauso wenig globalisieren wie die Staaten. Es gibt kein unmittelbares Weltgeld, wie es keinen unmittelbaren Weltstaat gibt. Geld existiert überhaupt nur in der Form von Währung. Auch das Behelfs-Weltgeld Dollar bleibt gleichzeitig nationale Währung. Auf dieser Ebene schlägt das astronomische Außendefizit der USA sehr wohl negativ zu Buche - es bleibt der Anspruch des einen Währungsraumes an einen anderen. Was muss unausweichlich passieren? Stellen wir uns das vermeintliche Perpetuum mobile zwischen den USA und der übrigen Welt übertragen auf eine Binnenökonomie vor. Kaufkraft, die reell nicht da ist, wird durch Verschuldung simuliert. Wenn auch keine nennenswerten Ersparnisse da sind (wie es in den USA der Fall ist), gibt es nur noch die Möglichkeit, dass der Staat mit Hilfe seiner Notenbank Geld druckt und es unter die Leute bringt, damit die kaufen können. Das Resultat ist bekanntlich keine »ewige Konjunktur«, sondern die galoppierende Inflation, also der Ruin des Geldes selbst. Im Prinzip läuft der ständige Zufluss ausländischen Geldkapitals in die USA auf nichts anderes hinaus. Das in Fremdwährungen zufließende Geld muss vor dem Kauf von Aktien und Staatsanleihen in Dollars gewechselt werden, bläht also permanent die Dollarmenge auf. Dies erscheint zunächst nicht als Inflation in den USA, weil es sich um ausländische Gläubiger-Positionen handelt. Der inflationäre Mechanismus ist daher vorläufig gefiltert durch die Grenzen der Währungsräume. Aber nun zurück zum Lehrbuch: Permanente Handels- und Kapitalbilanzdefizite einer Volkswirtschaft (somit auch eines Währungsraumes), werden sie nicht ausgeglichen, müssen nach einer gewissen Inkubationszeit zu einem entsprechenden Verfall des Außenwertes der jeweiligen Währung führen. Die Binnenkaufkraft einer Währung ist jedoch nicht unabhängig vom Außenwert. Verfällt letzterer drastisch genug, so ist die Folge eine dramatische Inflation auch auf der binnenökonomischen Ebene. Es ist nicht so recht einzusehen, wie sich die USA dieser Gesetzmäßigkeit dauerhaft entziehen könnten. Zwar lassen sie ganz bewusst alle paar Jahre (so auch jetzt wieder) einen gewissen Verlust im Außenwert des Dollars zu, weil auf diese Weise im Grunde die ausländischen Gläubiger selber einen Teil der US-Schulden zähneknirschend bezahlen müssen, indem ihre Dollar-Guthaben verfallen. Das geht freilich nur, solange es sich um eine relativ mäßige, kontrollierte Pendelbewegung handelt. Je höher sich die US-Außendefizite aufakkumulieren, desto wahrscheinlicher wird es aber, dass der Geldkapitalzufluss ins Stocken gerät und der Außenwert des Dollars unkontrolliert nach unten durchbricht. Die dann unvermeidliche Dollarinflation wird allerdings nicht nur die Binnenökonomie der USA in die Knie gehen lassen, sondern auch die Exportmaschine der übrigen Welt zum Stehen bringen. Dann ist es aus mit der Herrlichkeit des vermeintlichen Perpetuum mobile. In der ND-Wirtschaftskolumne befassen sich der Bremer Wissenschaftler Rudolf Hickel, der Nürnberger Philosoph Robert Kurz, der Berliner Politökonom Harry Nick sowie die PDS-Wirtschaftsexpertin Christa Luft mit Hintergründen aktueller Vorgänge.
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