Ende des Schweigens in Silicon Saxony

US-Konzern AMD baut zweite Chipfabrik in Dresden/Staat zahlt kräftig zu

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: ca. 3.5 Min.

Der US-Konzern AMD baut in Dresden eine zweite Chipfabrik. Binnen zwei Jahren sollen 1100 Stellen entstehen. Bund und Land fördern die Milliardeninvestition mit Riesensummen.

Pflichtbewusstsein und die Fähigkeit zu harter Arbeit - so hat Theodor F. Roosevelt die Deutschen beschrieben. Beobachtet hat der spätere US-Präsident diese Eigenschaften an den Menschen in Dresden, als er die sächsische Stadt 1873 mit seinen Eltern besuchte. Der präsidiale Lobpreis für die Dresdner ist bei den Amerikanern offenbar hängen geblieben - auch bei den Managern des Chipriesen Advanced Microelectronic Devices (AMD). Sie zitierten Roosevelt gestern in der sächsischen Landeshauptstadt bei der Grundsteinlegung für die »Fab-36«, einem der größten Investitionsvorhaben der letzten Jahre in Ostdeutschland. Rund 1000 Arbeitsplätze sollen in der hochmodernen Chipfabrik entstehen, die die Nummer 36 unter den weltweit verstreuten Halbleiterfabriken von AMD ist. Der Komplex wird direkt neben der »Fab-30« gebaut, einem seit drei Jahren produzierenden Werk, das unter Experten als modernstes der Welt gilt. AMD fertigt dort seine gesamte hochwertige Athlon-Prozessorserie. Zur Erklärung werden Worte gewählt, die denen Roosevelts ähneln. »Die Menschen in Dresden«, sagt Firmenchef Hector Ruiz, »sind Weltklasse«. Bei der Entscheidung für den Neubau, der seit langem geplant war, aber erst mit dem Ende der Krise in der Chipbranche in Angriff genommen wird, hat sich Dresden gegen mehrere Konkurrenten zwischen Südostasien und den USA durchgesetzt. Als Bauplatz war lange Zeit unter anderem East Fishkill im Bundesstaat New York im Gespräch, wo der Elektronikriese IBM ansässig ist. Insgesamt gebe es weltweit nur vier Länder, in denen ein technologisch so anspruchsvolles Projekt überhaupt umgesetzt werden könne, sagt Ruiz. Der US-Konzern macht kein Hehl daraus, dass neben der Kompetenz der Mitarbeiter auch die üppige staatliche Förderung für den sächsischen Standort sprachen. In das Werk sollen bis 2007 rund 2,4 Milliarden US-Dollar investiert werden. Bund und Land zahlen eine halbe Milliarde Dollar an Fördergeldern. Zudem wird ein Kredit über 700 Millionen Dollar zu 80 Prozent von Bund und Land verbürgt. Sachsen ist über seine Landesbank an einem Investorenkonsortium beteiligt, das weitere 320 Millionen in das Werk steckt. AMD selbst, das nach Analystenangaben zu den am höchsten verschuldeten Unternehmen der Branche gehört, bringt 900 Millionen Dollar für die »Fab-36« auf. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt rechtfertigte die enorme öffentliche Förderung mit erhofften Folgewirkungen. So wird mit einer 1,5-fachen Zahl von Arbeitsplätzen bei den Zulieferern gerechnet. Nach Milbradts Angaben wurden mit den schon bisher gezahlten sieben Milliarden Euro Fördergeldern für die Mikroelektronik im Großraum Dresden direkt 7500 Arbeitsplätze geschaffen, dazu kämen weitere 11000 Stellen bei Zulieferern. Kritiker aber bezweifeln, dass die großen Industrieansiedlungen die Steuerkassen nennenswert aufgefüllt haben. Die hohen Zuschüsse für wenige Großinvestoren sind in Sachsen seit Jahren umstritten. Selbst Unionspolitiker bemängeln, dass die Landesregierung und Wirtschaftsminister Martin Gillo, bezeichnenderweise ein Ex-Manager von AMD, kleinere einheimische Firmen bei der Förderung vernachlässigen. Nach Meinung von Milbradt ist die Förderung solcher »Investitionskerne« jedoch keine Politik gegen den Mittelstand. Sachsens PDS-Fraktionschef Peter Porsch will Beweise. Er fordert, den potenziellen Zulieferern und Dienstleistern von AMD müsse bei der Vermittlung von Krediten »mindestens ebenso großzügig unter die Arme gegriffen werden« wie dem Großkonzern. Dieser ist in Dresden bereits gut etabliert. Nach der »Fab-30« hat AMD zuletzt im Oktober dieses Jahres das »Advanced Mask Technology Center« eingeweiht. In dem Joint-Venture-Unternehmen mit Infineon und DuPont werden Fotomasken für Speicherchips hergestellt. Der Übergang in Bereiche der Nanotechologie soll ebenso wie die in der »Fab-36« vorgesehene Herstellung von Prozessoren auf 300 Millimeter großen Siliziumscheiben die Konkurrenzfähigkeit von AMD sichern. Die Region Dresden festigt mit der neuen Großansiedlung ihre Position als wichtigster europäischer Standort der Halbleiterbranche. Die sächsische Landeshauptstadt sei nun die »Technologiehauptstadt Europas«, sagt Ruiz. Milbradt sieht mit der jetzigen Ansiedlung eine »kritische Masse« überschritten. In der Region, die in Anspielung auf die kalifornische Hightech-Region gern »Silicon Saxony« genannt wird, steht neben der »Fab 30« von AMD mit ihren 2000 Mitarbeitern auch ein Halbleiterwerk von Infineon, in dem 5000 Menschen arbeiten. Deutlich kleiner ist das Zentrum Mikroelektronik Dresden (ZMD) mit 650 Beschäftigten. Neben dem Expertenwissen aus den nach 1990 enorm gestutzten oder zerschlagenen Betrieben ZMD und Robotron sowie einer ausgebauten Forschungslandschaft schätzen Investoren wie AMD wohl auch die stille Unterstützung durch sächsische Behörden. Auffällig ist, dass bis vor einer Woche keine Spekulationen über die neue Fabrik an die Medien gelangten. So zeigte sich Sachsens Regierungschef gestern über einen Umstand besonders erleichtert: »Das...

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