»Eine gewisse Emotion«

Auch nach dem Parteitag geht der Streit um Personen und Inhalte weiter

  • Wolfgang Hübner
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Nach dem Bochumer Parteitag herrscht alles andere als ausgelassene Stimmung hinter den SPD-Kulissen: Der niedersächsische Landesverband wird für die Wahlpleiten von Olaf Scholz und Wolfgang Clement verantwortlich gemacht.

Es sei ein erfolgreicher Parteitag gewesen, fasste Gerhard Schröder am Mittwochnachmittag die drei Bochumer Tage zusammen, bevor die Delegierten in das Arbeiterlied »Wann wir schreiten Seit an Seit« einstimmten. Doch schon in diesem Moment wussten alle, dass Schröders gefälliges Resümee nur ein Teil der Wahrheit ist. Nicht nur, dass die Delegierten gegen den ausdrücklichen Willen des Kanzlers dafür plädierten, alle Einkommensarten in die Bürgerversicherung einzubeziehen - also auch die Gehälter von Beamten, Selbstständigen und Freiberuflern. Mehr als diese Vorgabe, die Schröder als Einschränkung seiner Möglichkeiten in der Gesetzgebung betrachtet, ärgert ihn das schlechte Wahlergebnis seiner Sozialabbau-Vorkämpfer Olaf Scholz und Wolfgang Clement. Umgehend tat Schröder das, was Politikern in Krisen gewöhnlich als erstes einfällt: Er suchte Schuldige. Nach Angaben der »Bild«-Zeitung beschwerte er sich über den niedersächsischen Landesverband, dem er selbst angehört. »Euch mache ich fertig« soll Schröder dem Landesvorsitzenden Wolfgang Jüttner gedroht haben, den Hannoveraner SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel soll er »Brandstifter und Feuerlöscher zugleich« bezeichnet haben. Letzteres Werturteil bezieht sich auf Gabriels Taktieren auf dem Parteitag, wo er mehrfach den Volkstribun gegen die Führung gab, aber nie vollständig aus der Parteidisziplin ausbrach. Im niedersächsischen Landesverband weist man Schröders Attacke zurück. Landeschef Jüttner nimmt sogar für sich Anspruch, für Scholz geworben zu haben. Auch Gabriel ließ verbreiten, er habe in vielen Telefonaten für Scholz getrommelt. Gewiss wird die Rolle des niedersächsischen Landesverbands überschätzt. Mit rund 60 von über 500 Delegierten konnte er die Abstimmungen nicht wesentlich beeinflussen. Tatsache ist aber auch, dass Jüttner schon im September offen gegen Generalsekretär Scholz Front gemacht hat. Damals, kurz nach der für die SPD katastrophalen bayerischen Landtagswahl, gehörte Jüttner zu jenen Landespolitikern, die Scholz für ungeeignet erklärten, »die Seele der Partei zu streicheln«. Mit seinem Rütteln an sozialdemokratischen Kernbegriffen zerstöre Scholz die Identität der Partei und betätige sich zu sehr als Pressesprecher des Kanzleramts. Das SPD-verträgliche Charisma, das dem wegen seiner hölzernen Redeweise gern als Scholzomat verspotteten Generealsekretär fehlt, führt beispielsweise Sigmar Gabriel vor. Der 44-Jährige hat zudem noch eine Rechnung offen mit seiner Parteispitze: Als amtierender Ministerpräsident verlor er Anfang des Jahres die Landtagswahl, was maßgeblich an der Politik der Bundesregierung lag. Vergeblich hatte Gabriel versucht, sich mit der Forderung nach einer Vermögensteuer vom Image der Bundes-SPD zu abzusetzen; Schröder hatte ihm in dieser Hinsicht mitten im Wahlkampf eine Absage erteilt. Den Bochumer Parteitag benutzte Gabriel für ein dreitägiges Schaulaufen. Ständig war er im öffentlichen Einsatz. Kurz vorm Parteitag hatte er gemeinsam mit anderen jüngeren SPD-Politikern ein programmatisches Thesenpapier verfasst; eine Karrieristenaktion, urteilten Kritiker umgehend. Indirekt bestätigte Gabriel dies, als er sich in einem Interview zu jener Hand voll Politiker rechnete, die die Generation Schröder an der Spitze der Partei beerben könnte. Dass er selbst am liebsten Generalsekretär werden wolle, wies Gabriel zurück. Allerdings versuchte er unablässig, Scholz die Richtung vorzugeben. Das wird er weiter tun und abwarten, wie die Stimmung in der Partei sich entwickelt. Vorerst demonstrieren namhafte Sozialdemokraten Verständnis für den Bochumer Wutausbruch des Kanzlers. Das Ergebnis für Clement und Scholz sei indiskutabel, meinte etwa der bayerische Fraktionschef Franz Maget, denn Stützen der Regierung dürfe man nicht schwächen. »Da«, sagt Maget mit Blick ...

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