Umwelt ja, OZON nein?

Naturschützer befürchten Aus für brisante Themen beim Sender RBB

  • Günter Queißer
  • Lesedauer: 5 Min.
Mit dem Umweltjournalistenpreis des Brandenburger Naturschutzbundes (NABU) wurde dieser Tage das Umweltmagazin OZON des RBB ausgezeichnet.
Der Brandenburger NABU-Landeschef Tom Kirschey würdigte bei der Ehrung die herausragende journalistische Arbeit und kontinuierliche Umweltinformation, mit der das OZON-Team seit 1989 Maßstäbe gesetzt habe. Besonders in der Wendezeit, so Kirschey, habe die Sendung als Katalysator für die Entstehung von Umweltverbänden in der damaligen DDR gewirkt. Viele Naturschützer, die unter dem Dach der Gesellschaft für Natur und Umwelt oder in kirchlichen Umweltgruppen aktiv waren, seien durch OZON ermuntert worden, mit ihren Forderungen in die Öffentlichkeit zu treten. In ihrer ersten Sendung »Luft zum Atmen« sprachen die Gründer von OZON, Hartmut Sommerschuh, Werner Peter, Hellmuth Henneberg, Uta Greschner und Ernst-Alfred Müller erstmals über die Luftverschmutzung in den ostdeutschen Großstädten und die gesundheitlichen Folgen. Das gab einen Anstoß für ein neues Klima der Offenheit und Ehrlichkeit, vor allem aber, betonte Kirschey, Mut zur Veränderung. Insofern habe OZON auch einen gewissen Anteil an der Gründung des NABU Brandenburgs und vielleicht auch am Nationalparkprogramm der DDR. Die Sendung zeichne sich durch eine ausgewogene Mischung regionaler und globaler Themen mit praktischen Hilfen und Tipps aus. Sommerschuh, Initiator und Leiter der Sendung, zeigte sich gerührt: »Dass OZON so viel bewirkt haben soll, war uns in diesem Ausmaß nicht bewusst.« Die Mitarbeiter hätten in den dreizehn Jahren OZON-Geschichte immer wieder gespürt, dass nicht nur grüne Fans ihr Publikum waren. Namentlich hier in Brandenburg, aus dem nicht nur wichtige Wurzeln der DDR-Umweltopposition, die bedeutendsten Naturschutzpioniere, das Zeichen mit der Eule, das Naturparkprogramm stammen, sondern bis heute bedeutende umweltpolitische Impulse kommen, sei das Interesse groß gewesen. Natur- und Heimatliebe müsse neu entfacht werden. »Gelingt dies nicht«, meinte der OZON-Chef, »wird Naturschutz auf Dauer nur aus bürokratischer Gewalt von außen empfunden, wird die Gleichgültigkeit gegenüber Tieren, Pflanzen, Landschaften unumkehrbar, werden wir Kinder und Enkel an die coole Freizeitgesellschaft verlieren.« Er versicherte, OZON werde den öffentlich-rechtlichen, demokratischen Auftrag auch weiterhin ernst nehmen und ihnen kritischer, unabhängiger, aber in der Sache verbundener Partner bleiben. Die NABU-Vertreter nahmen die Botschaft mit gemischten Gefühlen auf. So mancher erinnerte sich an die Wermutstropfen bei der ersten Verleihung des Umweltjournalistenpreises vor vier Jahren. Damals stand das kritische Umweltmagazin GRÜNSTIFT kurz vor der Abwicklung. In der Folgezeit schränkten auch Rundfunkstationen ihre Sendezeit für Umweltthemen immer mehr ein, manche Sendungen verschwanden ganz. Tatsächlich ist bei Meinungsumfragen der Natur- und Umweltschutz in der Werteskala auf Platz 13 oder 14 abgerutscht. Ähnliches zeichnet sich beim Fernsehen ab. In der ARD sind Umweltsendungen sowohl was Sendezeit als Anzahl der Sendungen betrifft, rückläufig. Im ORB ist das Umweltjournal von Radio Brandenburg verschwunden. In der öffentlich-rechtlichen Radiolandschaft der Region, so stellt der Förderverein für Öffentlichkeitsarbeit im Natur- und Umweltschutz ( FÖN) fest, gibt es trotz acht Vollprogrammen keine kontinuierliche Umweltberichterstattung mit festen Sendeplätzen mehr. Das Thema sei verbuddelt in aktuell-politischen Sendungen, in Pressekonferenzen anlässlich neuer Gesetze oder Skandale, oft gestaltet von Journalisten, die selbst wenig über die Hintergründe wissen und daher am Ereignis kleben bleiben, ohne Entwicklungen und Zusammenhänge deutlich machen zu können - auch schon wegen der knappen Sendezeit. Große Tageszeitungen haben keine regelmäßige Umweltseiten, keine spezialisierten Redaktionen mehr, die Themen werden auf Wissenschaftsseiten oft techniklastig dargestellt. Immer mehr dominieren rein wissenschaftliche Beiträge die Umweltberichterstattung. Auch bei der letzten Umweltsendung im Fernsehen - OZON - wurden die Mittel knapper. Gab es früher zwölf neu produzierte Sendungen im Jahr, sind es heute nur noch zehn. Für Umweltfeatures ist kein Geld mehr da. Wie es weitergeht ist ungewiss. Auch Brandenburgs Umweltminister Wolfgang Birthler, der als langjähriges Mitglied im Rundfunkbeirat an der Wiege des ORB stand, sieht die Entwicklung mit Sorge. Er hätte wenig Verständnis, wenn OZON aufgegeben würde. Mit dieser Umweltredaktion dokumentiere der RBB die außerordentliche Bedeutung und Kompetenz der Region bei den Themen Umweltpolitik und Wissenschaft der Region. Sie bedeute für Brandenburg auch ein Stück Erbe der Wendezeit. Der Präsident des Deutschen Naturschutzringes (DNR) und langjähriger Vorsitzende des BUND, Hubert Weinzierl, erinnert sich am Rande der Preisverleihung noch an das Ökomedia-Festival in Freiburg, auf dem er OZON mit dem Journalistenpreis ausgezeichnet hatte: »Da standen Menschen auf der Bühne aus der ehemaligen DDR, die eine regelmäßige, kritische, unzensierte, ja zu diesem Zeitpunkt schon beliebte Umweltsendereihe machen. In einem Teil Deutschlands, wo dies vormals alles verboten war. Und sie nannten sich auch noch OZON - nach dem viel diskutierten Reizgas. Wir hörten mit Erstaunen, dass Sommerschuh und seine Leute keine aufgesprungenen Trittbrettfahrer waren, sondern unter der Decke des DDR-Fernsehens, angespornt von mutigen Naturschutzleuten und Wissenschaftlern bereits Jahre zuvor damit begonnen hatten, Filme über Eutrophierung der Seen, Überdüngung oder Winderosion auf zu großen LPG-Feldern durchzukämpfen.« Eine Zusammenlegung von Umwelt und Wissenschaft, wie sie beim RBB im neuen Sendekonzept angestrebt wird, sieht Weinzierl sehr skeptisch. Nach Biotop (MDR), Ökologo (DW) und Dschungel (WDR) würde damit ein weiteres Fenster für diese Thematik im Fernsehen verschwinden. Er, Weinzierl, könne auch ein Lied davon singen, wie aus GLOBUS die Umweltthematik verdrängt wurde, bis die Sendung Ende 2002 nach 21 Jahren ganz aus dem ARD-Programm verschwand. Auch der Pfarrer Reinhard Dalchow, 1. Vorsitzender des Brandenburger Beirates für Umwelt und Landnutzung, hält Abstriche an OZON für einen schweren Schlag gegen die Träger spezifischen ostdeutschen Bürgersinns. Mit den Themen des Lebens-, Ressourcen- und Landschaftsschutzes sowie der Nachhaltigkeit erhalte das Umweltmagazin gerade für die von Klima-, Wasserdargebots- und anderen Veränderungen betroffenen Regionen Brandenburgs als Lebenshilfedienstleistung zunehmendes Gewicht. Zu Recht sei OZON bei der Verleihung des Medienpreises 2002 der Deutschen Umwelthilfe als »das wohl renommierteste Umweltmagazin der Republik« bezeichnet worden.

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