Lob für einen überflüssigen Ausschuss

Täuschung der Wähler durch die Bundesregierung nicht »erwiesen«

Am Montag trat er zum letzten Mal zusammen, der 1.Untersuchungsausschuss des 15. Bundestages. Besser bekannt als der »Lügenausschuss«.

Der Innenpolitikexperte der SPD im Bundestag, Dieter Wiefelspütz, hatte den Ausschuss als den in der Parlamentsgeschichte bisher überflüssigsten bezeichnet. Ortwin Runde, Berichterstatter der Fraktion im Ausschuss, bestätigte die Einschätzung am Montag nochmals. Und sein Fraktionskollege Florian Pronold ergänzte: Eine immense Verschwendung von Steuergeldern und von Zeit vieler Mitarbeiter sei zu beklagen. Der Ausschuss war auf Betreiben der Opposition zur Rechten im Bundestag zu Stande gekommen. Diese hatte die Bundesregierung bezichtigt, im Vorfeld der Bundestagswahl 2002 ihre Kenntnisse über die desolate Wirtschaftslage verschwiegen zu haben, um die als ungewiss geltende Wiederwahl von Rot-Grün nicht zusätzlich zu gefährden. Der Ausschuss sollte insbesondere klären, »ob und in welchem Umfange« Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundesfinanzminister Hans Eichel, Bundesministerin Ulla Schmidt sowie der damalige Arbeits- und Sozialminister, Walter Riester, »Bundestag und Öffentlichkeit hinsichtlich der Situation des Bundeshaushaltes, der Finanzlage der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie der Einhaltung der Stabilitätskriterien des EG-Vertrages... falsch oder unvollständig« informierten. Mit großem Brimborium gestartet, verlor der Ausschuss schnell an Interesse nicht nur der Öffentlichkeit, sondern auch der »Klageführer«. Es erlahmte mit dem Datum der Landtagswahl in Hessen zu Jahresbeginn, wie Florian Pronold am Montag süffisant feststellte und damit den Vorwurf der Wahltaktiererei zurückgab. Nach 32 Sitzungen, 36 Zeugenanhörungen und dem Bewegen von rund 40000 Aktenseiten ist festzustellen: Außer Spesen nichts gewesen. In seiner letzten Sitzung am Montag entschied der Ausschuss per Mehrheitsvotum von SPD und Grünen, dass die Arbeit ein Erfolg gewesen sei, weil alle Behauptungen eines Wahlbetruges widerlegt seien. Bei der Beweiserhebung habe sich gezeigt, »auf welch schwachen Füßen« die Vorwürfe der Opposition gestanden hätten, begründete Ortwin Runde vor der Presse in Berlin. Es habe »keine Täuschung der Öffentlichkeit gegeben und folgerichtig auch keine Verabredungen zur Täuschung«. In zwei Sondervoten stellen Unionsfraktion wie FDP fest, dass die Bundesregierung die Öffentlichkeit sehr wohl getäuscht habe. Womit der Ausschuss auch in ihren Augen seinen Nutzen erwiesen hat. Er habe »Vorgänge aufgedeckt, die der Öffentlichkeit bis dahin unbekannt waren«, fasste der Obmann der CDU/CSU im Ausschuss, Peter Altmaier, zusammen. Vier Lügen machte er aus: die Schulden-Lüge, die Maastricht-Lüge, die Renten-Lüge und die Gesundheits-Lüge. FDP-Obmann Hans-Joachim Otto kam zum Ergebnis, »namentlich der Bundeskanzler und die für Finanzen und die Sozialsysteme verantwortlichen Minister haben die bei der Bewertung der Haushaltslage und der Situation der Sozialversicherungssysteme vorhandenen Interpretationsspielräume missbraucht«. Der Ausschuss stellt fraktionsübergreifend einen Gewinn der politischen Kultur in Deutschland fest. Einen »vorsichtigeren Umgang mit Prognosen« registrierten Runde und Pronold. Altmaier bemerkte, einzelne Bundesministerien revidierten »Prognosen früher als bisher«. Und Otto registrierte eine abschreckende »Signalwirkung« drohender »unangenehmer Befragung und Beleuchtung«. Petra Pau, eine von zwei PDS-Abgeordneten und im Ausschuss nicht vertreten, stellte noch vor der Konstituierung fest: »Vor der Wahl und nach der Jagd wird am meisten gelogen. Ein Lügenausschuss brächte daher nur eines: Lächerlichkeit.« Die abschließende Debatte des Bundestages über die Ausschussarbeit...

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