Warten auf den »Guagua«

Transport ist in Kuba mit vielen Unwägbarkeiten verbunden

Die Vielfalt der kubanischen Transportmittel lässt nichts zu wünschen übrig. Von der Fahrradrikscha über den Kabinenroller, vom Taxi über Bus bis hin zur Eisenbahn. Es gibt alles und es fährt alles, aber nicht immer nach Plan. Warten gehört zum Alltag.

Der Lift zur Halloween-Party 20 Kilometer außerhalb von Havanna schien eine sichere Sache. Ein öffentlicher Schulbus sollte den Gratistransport zur Kunsthochschule gewährleisten. Abfahrt direkt vor dem Theater, teilte der einladende Student und Freizeitschauspieler seinen Bekannten mit. Wann? Schätzungsweise maximal in einer halben Stunde. Zeit, um am Dollarkiosk die obligatorische Flasche weißen Rums zu kaufen, mit der sich kubanische Jugendliche kollektiv für rund drei Dollar aufmuntern. Doch der im Volksmund Guagua genannte Bus wollte und wollte nicht kommen. Auch nicht nach der zweiten Flasche. Was tun? Ein Taxi ordern? Das ist in der Regel kein Problem, es sei denn ein finanzielles. Ein Taxi wird herangewinkt. Erstmal einsteigen und dann verhandeln. Mehr als ein halbes Dutzend Personen zwängt sich in den Straßenkreuzer. Die Fahrt und die Verhandlungen gehen los. Der Chauffeur will von seinen 15 Dollar nicht abrücken. Den jungen Kubanern ist das zu viel. Nach zweihundert Metern wird die Tour abgebrochen. Alles aussteigen und zurück zum Ausgangsort. Der Guagua muss doch irgendwann mal kommen. Und er kommt wirklich. Allerdings völlig überfüllt. Er hält, aber die Türen bleiben geschlossen. Dennoch schaffen ein paar der Studenten und Studentinnen den Einstieg - sie lassen sich von den Kommilitonen durch das Fenster in das fetenverheißende Transportmittel ziehen. Das war der letzte Guagua an diesem Abend. Auf die Halloween-Party verzichten will trotzdem keiner. Da bleibt nur ein neuer Versuch mit einem Taxi. Lada statt USA-Schlitten. Weniger Leute brauchen weniger Platz und billiger ist der fahrbare russische Untersatz auch: Zwölf Dollar verlangt der Fahrer und verhandelt auch nicht nach, obwohl die Suche nach dem Gelände der Kunsthochschule nicht ohne Umwege abläuft. Mit Hilfe eines aus dem Schlaf geklingelten Kubaners findet man den Weg. Die Party kann kommen. Nur der Pförtner sieht das anders. Wo ist eure schriftliche Einladung? Eine Frage, die er offensichtlich Dutzend anderen vereinzelt Angereisten auch schon gestellt hat, die sich inzwischen am Eingang des Geländes gesammelt haben. Wir haben keine schriftliche Einladung und mit dem Guagua hätten wir auch keine gebraucht, versuchen ihm die Einlass Begehrenden zu vermitteln. Der Bus fährt nämlich ohne Personenkontrolle direkt aufs Gelände. Der Pförtner will aus Sicherheitsbedenken nicht nachgeben. Da die Menge aber nicht weicht, lässt er sich auf einen Kompromiss ein. Aufnahme der persönlichen Daten plus Abgabe eines persönlichen Dokuments - dann ist der Weg frei. Beim Rückweg ist wenigstens der Guagua gesichert. Morgens nach durchfeierter Nacht bricht der Bus Richtung Havanna auf - nachdem die Dokumente rückübereignet wurden. »Richtung Havanna« heißt leider nicht: bis in die Stadt. Die letzten Kilometer müssen auf andere Weise überbrückt werden. Aber die Dollars sind ausgegeben und Taxis zu früher Morgenstunde ohnehin nicht allzu häufig unterwegs. Doch in Kuba gibt es immer Alternativen. Diesmal der LKW. Nicht komfort- abel, aber billig - und lustig. Rauf auf die Ladefläche, festgehalten und los gehts. Die Sicht auf Landschaft und Verkehrssituation wird durch die Plane über der Ladefläche verhindert. Die Zeit vergeht trotz gemächlicher Fahrt wie im Fluge. Ein Witz jagt den anderen. Der LKW fährt bis an den Rand der Stadt. Der letzte Schritt in Richtung Unterkunft im zentralen Viertel Vedado steht noch aus. Es ist Sonnabendmorgen, dennoch sind die öffentlichen Verkehrsmittel überfüllt. Doch für Hilfe ist gesorgt. Schließlich gibt es in Kuba seit Beginn der 90er Jahre Verkehrskontrolleure, die für eine Optimierung der Transportkapazitäten sorgen. Mit einem Stoppschild gewappnet, halten sie die zirkulierenden Autos an und fragen nach Fahrtrichtung und Mitfahrmöglichkeiten. Wenn man an der Reihe ist und die Richtung halbwegs passt, kann man einsteigen und kommt schließlich bis in Fußwegdistanz vor die eigene Haustür. Das ganz umsonst, und z...

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