Fünf Tote durch Legionärskrankheit

In französischen Krankenhäusern steigt die Zahl der Infektionen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Legionärskrankheit, die seit Wochen in der nordfranzösischen Region Pas-de-Calais und dort vor allem in der Stadt Lens und ihrer Umgebung grassiert, hat ein fünftes Todesopfer gefordert.
Bisher sind 48 Fälle der Legionärskrankheit festgestellt worden. Dabei handelt es sich durchweg um Männer zwischen 50 und 85 Jahren, die gesundheitlich schon geschwächt waren. Die Legionärskrankheit, bei der es sich um eine Infektion mit der Bakterie Legionella pneumophilia handelt, erhielt ihren Namen von ihrem erstmaligen Auftreten vor etwa 40 Jahren in den USA bei einem Kongress der American Legion. Dort hatten sich die Bakterien durch die Klimaanlage des Hotels verbreitet. Eine ähnliche Ursache nimmt man auch in Lens an. So wurden die Bakterien in den Kühltürmen des petrochemischen Unternehmens Noroxo in Harnes bei Lens gefunden. Von dort aus könnten sie die Umgebung verseucht haben und für einen Teil der Erkrankungsfälle verantwortlich sein. Die Kühlbatterie wurde inzwischen stillgelegt, gereinigt und desinfiziert. Darüber hinaus wurden mehr als zwei Dutzend ähnliche Industrieanlagen und auch Klimaanlagenlüfter von Bürohäusern und Einkaufszentren auf Bakterienverseuchung untersucht. Weil sie den Eindruck hat, dass die Gesundheitsbehörden die Epidemie bagatellisieren wollen, hat die Witwe eines 53-jährigen Todesopfers Anzeige gegen Unbekannt erstattet und dabei die Unterstützung zahlreicher Betroffener bekommen. Die Legionärskrankheit breitet sich in Frankreich seit Jahren aus. 2002 hatte man 1021 Erkrankungen registriert. Man geht davon aus, dass 10 bis 15 Prozent der Fälle tödlich enden. Dass die nordfranzösische Region Pas-de-Calais besonders betroffen ist, liegt vor allem daran, dass in diesem ehemaligen Bergbaugebiet viele Männer früher unter Tage gearbeitet und sich dadurch Lungenerkrankungen zugezogen haben, die sie jetzt besonders anfällig machten. Bisher konnte man als Infektionsquelle meist unzureichend gereinigte und desinfizierte Klimaanlagen oder die Warmwasserversorgungen großer Bürohäuser, Hotels, Einkaufszentren und Krankenhäuser ausmachen. So mussten dieser Tage die Patienten der Intensivstation des Krankenhauses der Pariser Vorstadt Créteil verlegt und die Räume desinfiziert werden. Man hatte hier Bakterien vom Typ Acinetobacter baumanii entdeckt, die dem Erreger der Legionärskrankheit ähnlich sind. Diese Mikroorganismen hatten bereits seit Juli in 21 nordfranzösischen Krankenhäusern zu mehr als 100 Erkrankungen und 18 Todesfällen geführt. Beiden Bakterien gemeinsam ist, dass sie gegen fast alle Antibiotika resistent und nur schwer zu bekämpfen sind. Nach Angaben von Patientenorganisationen führen Infektionen, die sich Patienten in französischen Krankenhäusern zuziehen, pro Jahr zu rund 10000 Todesfällen. Die Gesundheitsbehörden räumen ihrerseits nur etwa 4000 Tote ein. Unbestritten ist, dass die seit Jahren zunehmende Zahl solcher Fälle nur zu oft auf den Mangel an Pflegern, Servicepersonal und Material zurückzuführen ist, so dass sich die Hygienebedingungen verschlechtern. »So müsste sich eine Schwester eigentlich zwischen dem Kontakt mit den verschiedenen Patienten pro Tag etwa 80 Mal die Hände waschen«, meint Eric Derain von der Pflegergewerkschaft CGT. »Da man dafür jedes Mal 2 bis 3 Minuten veranschlagen muss, würde sich das zu einem Zeitaufwand summieren, den das Personal, das aus Kostengründen immer mehr reduziert wird und daher immer hektischer arbeiten muss, heute einfach nicht mehr hat.«
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