Aktive Sterbehilfe findet viele Befürworter
Zunehmende Diskussion um das Recht der Menschen auf selbstbestimmten Tod
„Ist der Deich gebrochen?“ fragt die Überschrift eines neuen Beitrags der katholischen Monatszeitschrift „Herder-Korrespondenz“ (Freiburg) zum Thema der aktiven Sterbehilfe. Sie bezieht sich auf eine Äußerung des Vorsitzenden der niederländischen Bischofskonferenz, Kardinal Simonis, der nach der neuen Euthanasiegesetzgebung des Landes von einem „Dammbruch“ sprach.
Nach dem neuen Gesetz bleibt zwar die aktive ärztliche Hilfe zur Lebensbeendigung auch in den Niederlanden generell strafbar, wird aber unter bestimmten Bedingungen praktisch erlaubt. Die Befürchtungen der Gegner einer
solchen Regelung fußen auf dem Trend der öffentlichen Meinung auch in anderen Ländern.
Ähnlich wie in den Niederlanden sollte auch in Deutschland nach der Überzeugung einer Mehrheit der Bevölkerung im Falle einer unheilbaren Krankheit und schweren Leidens das Recht des Patienten auf Euthanasie (griechisch: schöner Tod) gelten. Dem Emnid-Institut zufolge sprechen sich zur Zeit insgesamt etwa 70 Prozent der Bundesbürger dafür aus, entweder auf Wunsch des Patienten oder auf den gemeinsamen Wunsch des Kranken und seiner Angehörigen Leiden durch aktives Eingreifen zu verkürzen.
Der Erlanger Rechtsmediziner Wuermeling äußerte unlängst die Auffassung, im europäischen Einigungsprozeß werde über die Niederlande hinaus ein Rechtsanspruch auf „Tötung auf Verlangen“ auch in die Gesetzgebung anderer Länder einfließen. Wenn es die Möglichkeit zu einer aktiven Sterbehilfe gäbe, würde sie rasch akzeptiert werden.
Die aktive Sterbehilfe ist in Deutschland bislang nach Paragraph 216 des Strafgesetzbuches verboten, und auch der Versuch ist strafbar Die sogenannte passive Sterbehilfe die Unterlassung einer lebensverlängernden Maßnahme, etwa künstlicher Beatmung bleibt dagegen straffrei.
Den oft von Gegnern aktiver Sterbehilfe ins Feld geführten Hinweis auf die Euthanasie-These der Nationalsozialisten vom „lebensunwerten Leben“ beantwortete der Rechtsphilosoph Norbert Hoerster (Uni^ versität Mainz). Zwar gebe es natürlich so etwas wie ein lebensunwertes Leben, sagte er kürzlich, doch nicht im Sinne etwa von Rassenzugehörigkeit oder sozialer Nützlichkeit. Die Euthanasie, für die er eintrete, habe damit nichts zu tun. „Ob ein bestimmtes Leben lebenswert ist oder nicht, kann nur vom Wertungsstandpunkt jenes Menschen aus entschieden werden, dem dieses Leben gehört.“
RUDOLF GRIMM, dpa
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