Cottbus steht seit Wochen im Zentrum bundesweiter Medienaufmerksamkeit - Vetternwirtschaft, Korruption, Parteienfilz und Stasi-Seilschaften sind die wiederkehrenden Stichworte. Fünf Monate vor der Oberbürgermeisterwahl eine schwere Bürde.
Eigentlich sind die Vorwürfe nicht neu. Recherchen der Regionalzeitung »Lausitzer Rundschau« und des ORB hatten schon im letzten Jahr den Stein ins Rollen gebracht. Manager der städtischen Gebäudewirtschaft GWC hatten nach danach jahrelang bei der Vergabe von Aufträgen gute Bekannte sowie Unternehmen bevorzugt, an denen sie selbst oder Familienangehörige beteiligt waren. Immobilien waren in der Regel ohne öffentliche Ausschreibung verkauft worden, ein Verfahren von dem offenkundig Politiker aller Parteien profitiert oder bei dem sie zumindest weggesehen hatten. Nach entsprechenden Berichten Ende des vergangenen Jahres mussten beide Geschäftsführer und weitere Manager der GWC gehen. Längst ermittelt die Staatsanwaltschaft.
Was hat die Sache nun erneut ins öffentliche Interesse gerückt? Im August starteten das Anzeigenblatt »Der Märkische Bote«, das 80000fach in Cottbuser Haushalte verteilt wird und der Stadtsender LTV Anfang August eine öffentliche Kampagne gegen die Chefreporterin der »Lausitzer Rundschau«, Simone Wendler, die einen großen Teil des städtischen Baufilzes aufgedeckt hatte. Die 46jährige Journalistin kreiere »den Verhör-Stil als journalistische Methode«, sie betreibe »Telefon-Terror« und hätte die Frau eines Interviewpartners zu einem Selbstmordversuch getrieben, lauten nur einige der Vorwürfe. Der Stadtsender spielte Zeitlupeaufnahmen der Reporterin ab, von einer Stimme mit dem Satz kommentiert, dass Menschen wegen ihr »Angst davor haben, in der Zeitung zu stehen«.
Wendler und die »Lausitzer Rundschau« schlagen zurück: Juristisch, indem sie dem »Märkischen Boten« per einstweiliger Verfügung die Wiederholung von 14 verleumderischen Aussagen untersagten und eine Gegendarstellung durchsetzten. Wendler macht jetzt auch öffentlich, welchen Drohungen sie, als sie vor Monaten den Baufilzskandal in der südbrandenburgischen Stadt aufgedeckt hatte, ausgesetzt war. Zuerst hätten ihr Gesprächspartner den angeblich gut gemeinten Rat gegeben, die Finger von dem Thema zu lassen. Als Wendler weiter recherchierte, hätten Unbekannte mit dem Tele-Objektiv ihr Haus observiert und auf ihre Handy-Mailbox das Lied gespielt »Dich schlagen wir tot«. In die Wohnung ihres Chefredakteurs Stefan Herbst sei eingebrochen worden, ohne dass etwas entwendet wurde.
Angesichts dieser offenkundigen Einschüchterungsversuche fühlten sich Beobachter und Kommentatoren nun an Methoden erinnert, mit denen das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit Menschen eingeschüchtert habe, überregionale Medien begannen sich für Baufilz, Korruption und Stasiseilschaften in Cottbus zu interessieren. Simone Wendler hatte zumindest öffentlich gemacht, dass mehrere von der GWC bevorzugte Bauunternehmer früher in den Diensten des MfS standen. Einer dieser Bauunternehmer, früher stellvertretender MfS-Dienststellenleiter von Cottbus, soll, so Wendler, über seine Firma am Stadtsender LTV beteiligt sein, an jenem Sender, der sie nun diffamiert.
Das offizielle Cottbus fürchtet ein Wiederaufleben von Vorurteilen, die der Stadt in den 90-er Jahren bereits den Ruf eingebracht hatten, Hort des Rechtsextremismus zu sein. Man wiegelt ab. Die Stadt sei »keine Hochburg von Filz und Korruption«, lässt Oberbürgermeister Waldemar Kleinschmidt (CDU) erklären. Kleinschmidt selbst hat angekündigt, bei der Wahl ums OB-Amt nicht wieder antreten zu wollen. Aus Altersgründen, wie der 60-Jährige betont. Im Juni noch galt Kleinschmidts erneute Kandidatur als ausgemacht. Die Vorwürfe würden »den Cottbusern nicht gerecht«, formuliert der OB.
Die jedoch haben ganz andere Probleme. Etwa damit, dass die Stadtverordneten kürzlich beschlossen, eine eben sanierte Schule abzureißen, während andere dringend sanierungsbedürftig sind. Zusätzlichen Unmut weckt die dubiose Erklärung, dass ein namentlich nicht genannter Investor Baufreiheit brauche. Wessen wirtschaftliche Interessen die Stadtverordneten da fraktionsübergreifend vertreten, können die Cottbuser nicht nachvollziehen. Wegen fehlender Transparenz, wie allgemein beklagt wird, aber wohl auch, weil das Ganze mit gesundem Menschenverstand nicht ohne weiteres zu verstehen ist.
Wenn Bauaufträge und staatliches Geld an demokratischen Spielregeln vorbei vergeben werden, dann haben Kontrollmechanismen und Selbstreinigungskräfte in der Stadt versagt. Weder die Stadtverordneten, die die Verwaltung kontrollieren sollen, noch der Aufsichtsrat der GEW, haben die Bauskandale aufgedeckt. Dies taten die Medien. Oberbürgermeister Waldemar Kleinschmidt, sein SPD-Kontrahent und der PDS-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Lothar Bisky haben immerhin die Kampagne gegen die Journalistin als einen Angriff auf die Pressefreiheit kritisiert, der nicht hinzunehmen sei.