Tote Katzen und die „666“
Auch nach dem Sondershausener Mord blüht der Satanskult
Die Tat hatte nicht nur in Sondershausen Entsetzen ausgelöst: Ein geplanter und kaltblütig ausgeführter Mord, der die Moral einer biederen Gesellschaft offenbarte. Doch rund ein Jahr nach der schrecklichen Tat beschäftigen sich nur noch wenige mit dem aufsehenerregenden Fall. HOLGER ELIAS berichtet.
Ende April 1993 erdrosselten drei Halbwüchsige ihren 15jährigen Schulkameraden Sandro Beyer mit einem Elektrokabel. Die selbsternannten Satanisten wollten sich des unbequemen Mitschülers entledigen. Lange zuvor hatten sich sie ihren schrecklichen Plan zurechtgelegt.
Die Jungen machten nie einen Hehl aus ihrer satanistischen Neigung. Doch weder das gesellschaftliche Umfeld, noch die Eltern wollen vom Chaos in den Köpfen etwas wahrgenommen haben. Auch dem CDU-Landtagsabgeordneten Walter Möbus, dessen Sohn Hendrik der Clique angehört, war nichts aufgefallen. Mutter Renate sträubt sich noch immer gegen die Tatsachen, die das Gericht ans Licht förderte. „Satanismus hat es hier nie gegeben.“ Etwaige
Huldigungen seien nichts anderes als Satire gewesen, bei der ihr Sohn „alle Klischees bedient“ habe.
Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache. Die drei musizierten bereits einige Jahre als satanistische Kultband, gaben „aufklärende“ Interviews in der Schülerzeitung. Auf einem berüchtigten Berg am Rande der Kreisstadt zelebrierten sie ihre Messen. Die öffentliche Ankündigung der Tat wurde von der Umgebung nur mit spöttischem Lächeln quittiert.
Daß die drei Satanisten es ernst meinten, mußte Christina T später auf bittere Weise erfahren. Bereits längere Zeit zuvor wurde sie von Hendrik und Sebastian auf den geplanten Mord aufmerksam gemacht, sogar aufgefordert, den Tod des Jungen zu filmen. Sie
nahm zunächst keine Notiz vom „Geschwafel“ der einstigen Freunde.
Ein Jahr nach dem Mord ist in Sondershausen scheinbare Ruhe eingekehrt, die aufgeschreckten Bürger haben sich offenbar vom Schock erholt. Doch es gibt Anzeichen dafür, daß der obszöne Kult hinter den städtischen Mauern weiterlebt. Ein Mitarbeiter des Jugendamtes berichtete, daß wenige Tage nach der Urteilsverkündung Satanszeichen gesichtet wurden. Auf ein Gräberdenkmal war die Satanszahl 666 geschmiert. Daneben lag eine tote Katze.
Die Mutter des Opfers, Cornelia Beyer, kämpft mit einigen Eltern in einer eigens gegründeten Initiative gegen das Unwesen. Eine Sekteninfo soll aufklären und auf die Gefahr hinweisen, die von dererlei kultischen Aufgüssen ausgehe. Nicht gegen den Satanismus allein richte sich das Engagement der Initiative, erklärt Frau Beyer, sondern gegen das Treiben von Sekten ganz allgemein.
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