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Das Lausitzer Herz „vertragt“ sich mit der Leber

Braunkohlewirtschaft in Brandenburg und Sachsen ist seit Anfang Juli in zwei Unternehmen gespalten Von JÖRG STAUDE

  • Lesedauer: 4 Min.

„Stellen Sie sich vor, ein lebendiger Organismus wird mittendurch getrennt.“ Mit drastischen Bildern versuchte Dr. Hans-Dieter Dietrich am Dienstagabend in Cottbus zu verdeutlichen, wie man sich die seit Anfang Juli vollzogene Aufspaltung der Lausitzer Braunkohle in zwei Unternehmen vorzustellen habe. Dietrich ist Sprecher der Geschäftsführung der Lausitzer Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LBV) mbH, des sogenannten B-Teils des Bergbaus, der zunächst bei der Treuhand verbleibt. Das andere abgespaltene Unternehmen, der A-Teil, die Lausitzer Braunkohlen AG (LAUBAG) behielt den bekannten Namen und wird an ein Konsortium unter Führung der RWE-Tochter Rheinbraun verkauft.

Seit August letzten Jahres arbeiteten Dietrich und seine Kollegen an der Aufspaltung der Lausitzer Kohle. Im Ergebnis ist das Anlagevermögen zwischen der LBV und der LAUBAG etwa „fifty-fifty“ geteilt worden, verfügt jeder über mehr als zwei Milliarden DM an Sachanlagen. Rund 40 Schnittstellenverträge ziehen die Trennlinien im Bergbau. An den Schnittstellen tauschen LBV und LAUBAG Kohle, Strom, Wärme und Wasser aus, wurden die Zuständigkeiten für Instandhaltung, die bergrechtliche Verantwortung und die der Betriebsfeuerwehr geregelt. Wie schwer es den Bergleuten gefallen sein muß, imaginäre Zäune durch den

über ein Jahrhundert lang organisch gewachsenen Bergbau zu ziehen, ließ der LBV-Sprecher spüren. „Das Herz hat jetzt einen Vertrag mit der Leber“, bemerkte Dietrich leicht sarkastisch. Der 57jährige hatte sich im Ex-Gaskombinat Schwarze Pumpe hinaufgearbeitet und war dort zuletzt Finanz-Vorstand gewesen. Zusätzlich zu der immensen Spaltungsarbeit mußte sich die LBV auch noch einen neuen Firmensitz suchen, ließ sich schließlich in Brieske nahe Senftenberg nieder.

Was der LBV zugeschlagen wurde, liest sich wie ein Kompendium des Lausitzer Bergbaus - unterteilt danach, was

sofort stillgelegt und saniert wird, und dem, was bis zum Jahr 2 000 im Auslaufbetrieb bleibt. In Brandenburg fördern nur die Tagebaue Meuro und Seese-Ost weiter, alle anderen (Klettwitz, Klettwitz-Nord, Seese-West, Schiabendorf Nord und Süd, Gräbendorf, Greifenhain) fallen unter die Kategorie Sanierungstagebau. In Sachsen werden die Tagebaue Scheibe und Berzdorf noch Kohle fördern. Spreetal, Spreetal Nordost, Bärwalde, Olbersdorf werden saniert. Dazu kommen noch eine Vielzahl von Restlöchern, Kippenflächen, außer Betrieb genommene Brikettfabriken, Werkbahnanlagen und anderes mehr Die LBV avancierte mit über 61000 Hektar zum großen Grundbesitzer in der Lausitz und - im Auftrag des Bundes und der beiden Länder Brandenburg und Sachsen - zu dem Unternehmen, das die ökologische Sanierung der Lausitz als Projektant und Auftraggeber vorantreibt.

Mit der Aufgabenfülle ist die LBV nahezu zwangsläufig auch der größte Arbeitgeber der Region. Von den rund 18 000 Beschäftigten der (alten) LAUBAG

übernahm die LBV knapp über 8 000. Dazu kommen noch rund 9 000 Mitarbeiter, die derzeit in der Sanierung tätig sind sowie mehr als 3 000 aus den Jahrgängen 1938/39/40, die über einen bereits abgeschlossenen Sozialplan in die Frühpension geschickt werden. Diese Beschäftigtenzahlen werden so nicht bleiben - bei der LBV nicht, weil schon 1996 die meisten jetzt noch produzierenden Teile stillgelegt werden, bei der (neuen) LAUBAG nicht, weil sie weiter rationalisieren und die Beschäftigtenzahl längerfristig auf 8 000 andere Prognosen besagen 6 000 - zurückgehen wird.

Die ständige Umstrukturierung des Bergbaus hat besonders dem ehemaligen Stammbetrieb des Gaskombinats Schwarze Pumpe - nach der Wende in ESPAG umbenannt - schwer mitgespielt, nicht nur, weil vieles von der Kohleveredlung (Kokerei, Vergasung) marktwirtschaftlich vorerst chancenlos ist. Erst beschlossen ESPAG und der ostdeutsche Kraftwerkskonzern VE-AG, in Pumpe ein Gemeinschaftskraftwerk zu bauen.

dann wurde die ESPAG in die (alte) LAUBAG fusioniert.

Jetzt mit der Spaltung wird Pumpe wieder und endgültig auseinandergerissen: Die Anteile am Gemeinschaftskraftwerk (35 Prozent) gehören nun der LBV, sind aber der VEAG so gut wie versprochen, womit ihr das Kraftwerk in Pumpe ganz gehören wird. Der LBV gehört auch das dortige Reststoffverwertungszentrum, das von dem LAUBAG-Käufer Rheinbraun verschmäht wurde und nun an andere Interessenten verkauft werden soll.

Das Einzige von Schwarze Pumpe, das als bedeutende Anlage in den zu privatisierenden A-Teil überging, ist die Brikettfabrik Mitte, alles andere wird extra verkauft oder ist unverkäuflich. Künftig werden sich vier, fünf große Unternehmen im Schwarze Pumpe schön separat tummeln. Der einstige technologische Wurf einer Braunkohleveredlung, die mehr als den rentierlichen elektrischen Strom im Blick hat, ist damit tot. Ob das der Zukunft der Braunkohle zum Vorteil gereicht, darf man getrost bezweifeln.

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