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Woher kommt die kriminelle Energie?

Für den Vorwurf „politischer Brandstifter“ liefert die Regierung genügend Gründe Saxophonmann Personallen Von CLAUS DUMDE

  • Lesedauer: 4 Min.

KARL THEODOR PASCHKE: gegen UN-Geldverschwendung Telefoto: dpa

Karikatur: Rainer Hachfeld

Bundesinnenminister Kanther (CDU), SPD-Politiker und der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft (GDP), Lutz, sind sich ausnahmsweise einig: Der im 1. Halbjahr '94 verzeichnete Rückgang polizeilich registrierter Straftaten in der Mehrzahl der Alt-Bundesländer und Berlin ist kein Anlaß zur Entwarnung. Schon weil aus dem Osten dergleichen nicht gemeldet wurde, die Angleichung der Lebensbedingungen also in puneto Kriminalität vermutlich weitere Fortschritte macht.

Nur Kanthers Staatssekretär Lintner (CSU) sah einen Grund zum Jubeln: Für den - statistischen - Rückgang der Straftaten um 3,5 Prozent seien unter anderen die Neuregelung des Asylrechts und schärfere Grenzkontrollen verantwortlich. In der Tat sind Verstöße gegen das Asyl- und Ausländerrecht überdurchschnittlich

zurückgegangen. Kein Wunder, denn die deutschen Grenzen sind ja nun für unwillkommene Gäste verrammelt. Doch die Beteiligung von Ausländern an allen Straftaten ist insgesamt um 9,8 Prozent gesunken. Die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer aber nicht. Diese Tatsache widerlegt nicht nur ausländerfeindliche Vorurteile, sondern verweist erneut darauf, daß Kriminelle hierzulande vor allem Deutsche sind. „Das Potential krimineller Energie auch im eigenen Lande ist nach wie vor ungebrochen“, betonte GDP-Chef Lutz.

Die Gründe dafür sind sicherlich zahlreich. Auf einige wies am Dienstag die SPD in einer Erklärung ihrer Länder-Regierungschefs und des Parteipräsidiums hin: steigende Arbeitslosigkeit, verschärfte Wohnungsnot und Perspektivlosigkeit. „Wer wie die Bundesregierung den Zusammenhang von Gewaltbereitschaft

und sozialem Abstieg nicht wahrhaben will, der wird - und sei es ungewollt - zum politischen Brandstifter“, hieß es darin.

CDU-Generalsekretär Hintze und Kanzleramtsminister Bohl reagierten empört, warfen der SPD „primitive Schmähungen“ und eine „unverfrorenen Entgleisung“ im Wahlkampf vor Sicherlich spielt der auf beiden Seiten eine Rolle. Doch die SPD-Erklärung weist auf ernste Defizite bei der inneren Sicherheit hin: zunehmende Aktivitäten rechtsextremistischer Organisationen, Aufrufe zu Gewalt, Propagierung der „Auschwitz-Lüge“ Was die kritisierte „offenkundige Zurückhaltung“ der Polizei gegen rechtsextremistische Gewalttäter betrifft, grenzt sie zuweilen schon an Sympathie. Auch unter Richtern. Siehe Mannheim.

Auch die SPD-Forderung, daß Extremismus und Gewalt

an ihren Wurzeln bekämpft werden müssen, ist unabweisbar Bundesregierung und CDU/CSU legten mit ihren Plänen zur Kürzung der Sozialhilfe und zur Ausgrenzung ohnehin Benachteiligter nur neue Sprengsätze, betonte die Bundestagsabgeordnete Sonntag-Wolgast. Der Alltags- und Massenkriminalität müsse man durch Prävention vor Ort und dem Abbau sozialer Ursachen begegnen.

Doch darüber will man bei der CDU nicht mal diskutieren. Bundesinnenminister Kanther warf der SPD nur zum x-ten Mal vor, daß sie mit ihrer Mehrheit im Bundesrat das Verbrechensbekämpfungsgesetz blockiere. Und bezeichnete wieder als Hauptgefahr die organisierte Kriminalität. Da fällt dann stets das Stichwort „Russenmafia“ Doch auch da sind laut jüngster Statistik die meisten Täter Deutsche.

Der erste Generalinspekteur der Vereinten Nationen heißt Karl Theodor Paschke. Im Range eines Unter-Generalsekretärs soll der Bonner Karrierediplomat Mißwirtschaft und Geldverschwendung in der UNO bekämpfen und für mehr Transparenz sorgen.

Der 58jährige trat vor 34 Jahren nach dem Jurastudium in den diplomatischen Dienst ein. Sein Vater hatte einst im Außenamt in der Berliner Wilhelmstraße den Chiffrierapparat geleitet, was aber kein Hindernis war, um nach dem Ende Nazideutschlands in Bonn die Telekommunikation mitaufzubauen. Sohn Karl-Theodor diente u. a, in Marseille, New Orleans, Kinshasa und Washington, ehe ihn sein Chef Genscher als Sprecher nach Bonn rief, 1984 kam dann Wien und drei Jahre später der erneute Sprung nach Washington, diesmal als Gesandter der dortigen BRD-Botschaft. Seit 1990 stand Paschke der wichtigen Zentralabteilung des Auswärtigen Amtes vor und war so für Management und Personal verantwortlich. Und er hat die inzwischen vielgefragte A/„JAAZZ“-Gmppe,.des Hauses; aufgebaut, .die mit : ihren,iCD'g;auch dem Kampige,?: gen Ausländerfeindlichkeit unterstützt.

Nun soll der begabte Saxophonist, der sich im internationalen Recht wie in den New Yorker Jazz-Kneipen auskennt, allen Verschwendern in der UNO den Marsch blasen. Fest steht schon, daß er am 1. Oktober sein auf fünf Jahre begrenztes neues Amt bei der UNO-internen Kontrollstelle antreten wird. Noch offen ist allerdings die Höhe seines Budgets, um Mißmanagement im Generalsekretariat oder bei UNO-Friedensoperationen aufzudecken. Die chronisch leeren Kassen haben indes noch einen anderen Grund: Als vor Beginn der 48. Vollversammlung Bilanz gezogen wurde, hatten nur sieben von 184 Mitgliedsstaaten ihre Pflichtbeiträge entrichtet. Auch Bonn, drittgrößter Zahler, stand mit 100 Mio Dollar in der Kreide. Die USA, die 25 Prozent des UN-Haushaltes stellen, haben inzwischen gar 1,4 Mrd. Rückstand

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