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Der Aufmüpfige

  • Lesedauer: 2 Min.

FRANK CASTORF. „Mit mir ist kein stubenrein westdeutscher Stolz zu reproduzieren.“

ND-Foto: Burkhard Lange

Der Theatermacher Castorf ist immer für eine Überraschung gut. Hält ein Darsteller die exzessive Probenarbeit nicht aus und steht zur Premiere nicht zur Verfügung, nimmt der Chef eben, wie jüngst beim „Danton“, das Rollenbuch zur Hand und rettet die Vorstellung. Aber als Vortragskünstler hat er ja auch einige Übung. Im Sommer erst lud er sich Gregor Gysi zwecks Lesung des Stükkes „Golden fließt der Stahl“ aus dem DDR-Nachlaß auf die Volks-Bühne ein. Eine Show mit verteilten Rollen. Sehr zum Vergnügen des reichlich erschienenen Publikums. Und nun gewährt er seinem Theaterpartner Asyl, nachdem die Staatsmacht die hungerstreikenden PDS-Politiker aus dem Preußischen Landtag entfernen ließ.

Klar, daß der provokante Theatermacher damit den heiligen Zorn der CDU und der ihr wohlgesonnenen Presse heraufbeschwor. Da wird der von einigen Zeitungen in der Vergangenheit erhobene Vorwurf, die Volksbühne sei „eine Wärmestube für verhärmte PDSler“ sicher wieder laut. Aber man darf vermuten, zur Räson bringt das den Theatermann nicht. Aus DDR-Zeiten hat er Übung im Widerstehen. Manchem Verantwortlichen hat er damals Zornesröte ins Gesicht getrieben. Wie es scheint, genießt er es, wenn andere sich schwarz ärgern und Gift und Galle spucken. Die Reibung macht ihn produktiv Der Beifall seines Publikums ist ihm sicher

Das Leben will er auf die Bühne bringen, der Castorf, nicht schöngeistelndes Ästhetisieren. Wie sollte er sich da der Wirklichkeit verschließen? Er tat's nicht, als er Obdachlosen vorübergehend Asyl gewährte, und er sperrte nicht zu, als Gysi, Bisky und Genossen an die Pforte klopften, um Asyl in öffentlichem Raum baten für sich und ihren Protest.

Man darf aber argwöhnen, so ganz uneigennützig ist der Castorf nicht, immerhin mußten die Obdachlosen in einer Inszenierung auf der Bühne ihre Miete abarbeiten. Da sei bei allem Ernst der Gedanke erlaubt, welche Rollen er für Gregor Gysi und Genossen wohl bereit hielte. GÜNTER GÖRTZ

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