Im besetzten Kießlinghaus richtet man sich aufs Überwintern ein
In Frankfurt/Oder leben einige Jugendliche ihren Traum vom solidarischen Miteinander aus und beweisen: Es geht!
Der Ofen bullert vor sich hin. Auf dem Tisch stehen Kaffeetassen, Zigarettenrauch hängt in der Luft. Es wird vom vergangenen Sommer geschwärmt, die absolvierte Facharbeiterprüfung gefeiert. Dieser und jener kommt von der Arbeit. Ja, nach Hause. Die Bewohner des Frankfurter Kießlinghauses haben sich aufs Überwintern eingerichtet: Am 1. Mai besetzten sie nach wochenlangen Diskussionen das denkmalgeschützte, durch einen Brand schwer beschädigte Gebäude. Kultur und Wohnen wollten sie verbinden. Schon nach einer Woche machten sie beim Stadtjugendtag auf sich aufmerksam und bekamen vom heutigen Landtagsabgeordneten Christian Gehlsen (PDS) prompt eine Spende von 1000 Mark.
Prompt kam aber auch' der Rechtsanwalt der Bahn AG, die an einer baldigen Räumung ihres Eigentums interessiert war Der beginnende Wahlkampf half den Hausbesetzern. Politiker verschiedener Parteien gaben sich die Klinke in die Hand, plädierten für Duldung. So fließen bis heute Strom und Wasser Ein Teil der Provinzprominenz kam nur, um die
eigenen Sprößlinge zu besuchen.
Einmal gab es eine Polizeirazzia im Morgengrauen, häufiger saßen „die Kießlings“ mit ihren Revierpolizisten beim Kaffee. Als es der benachbarten Klinik zu laut auf dem Hof wurde, einigte man sich in persönlichen Gesprächen. Für die Kiezkinder und Bewohner wurde ein dreitägiges Straßenfest mit Konzerten, Gesprächsrunden, Hüpfburg veranstaltet. Die Volxküche beköstigte rund 30 Leute am Tag. „Das war bei Preisen von 50 Pfennig bis zwei Mark manchmal ein Zuschußgeschäft.“
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