Was aus dem »Wunder von Trin« wurde

Die Fußballer der BSG »Rotes Banner« Trinwillershagen spielten einst in der DDR-Liga / Heute kümmert sich der SV Rot-Weiß um ein spezielles Nachwuchs-Projekt

Trinwillershagen liegt im Kreis Nordvorpommern und zählt rund 1500 Einwohner. Die Zahl, so besagen die Landesstatistiken, ist in den Jahren nach der Wende um rund drei Prozent zurückgegangen. Heute gibt es dort einen regional bekannten Landmarkt an der schmalen Dorfstraße, eine Schule, etliche surrende Windräder und vor allem viele Erinnerungen an die »schöne DDR-Liga-Zeit«.

Manfred Plötz - einer der Helden von damals

Die ganzen Erinnerungen sind in vielfältiger Form im Büro von Manfred Plötz (53) zu besichtigen. »Rainer Jahros war auch mal wieder hier«, erzählt Plötz. Jahros vom benachbarten FC Hansa Rostock. Er kam nicht, um etwa Urlaub in Trinwillershagen zu machen, sondern zu einem Pflichtspiel der Fußballer.
Manfred Plötz, ein Urgestein aus Trinwillershagen, ist seit 2001 Leiter der Fußball-Abteilung des SV Rot-Weiß Trinwillershagen. So heisst der Dorfverein heute, der Verein, der sich damals, vor der Wende, BSG »Rotes Banner« Trinwillershagen nannte. Plötz war einer der Helden der damaligen Fußballmannschaft, die 1976 das »Wunder von Trin« vollbrachte: den Aufstieg von der Bezirksliga Rostock in die zweithöchste Spielklasse des DDR-Fußball, in die DDR-Liga (Staffel A).
Dort spielte die Dorfmannschaft zwei Jahre lang. Eine ausreichende Zeit, um die Betriebssportgemeinschaft »Rotes Banner« zwischen Stralsund und Rostock überregional bekannt zu machen. Übrigens: Auf dem Cover des jüngst im Eulenspiegelverlag erschienenen Buches »Fußballland DDR« prangt der Vereinswimpel, und durch das Internet schwirren Vereins-Devotionalien.
Heute gibt es den einstigen Namensgeber, die Groß-LPG Pflanzenproduktion »Rotes Banner«, nicht mehr. »Nur noch ein paar private Bauern«, erzählt Plötz. Die Mannschaft des SV Rot-Weiß spielt jetzt in der Landesliga. Geblieben ist hingegen ein monströses Sozialgebäude und ein frisch renovierter Klubraum. Dort prangt die Schlagzeile »Das Wunder von Trin«. Die Idee zu diesem Slogan kam Manfred Plötz neulich im Kino, als er sich den Fußball-Monumentalfilm »Das Wunder von Bern« anschaute. Der Untertitel in Trinwillershagen signalisiert das »Wunder von Trin«: 1976 bis 78 DDR-Liga.
»Die LPG hat sich damals um alles gekümmert«, erzählt Plötz. »Der Vorsitzende von "Rotes Banner" war ein Fußballverrückter.« Was dabei herauskam, war ein skurril-schönes Stück DDR-Betriebssport-Mäzenatentum mit einem satire-verdächtigen Namen.

Zum Lokalderby gegen Hansa kamen 2500

Der Kern der damaligen Mannschaft stammte aus der nächsten Umgebung. Acht Spieler kamen aus Neuenrost, einem 60 Einwohner zählenden Dorf gleich nebenan. »Vier von ihnen waren verwandt«, erinnert sich Plötz. Dem Aufstieg in die Liga folgte eine unvergessene »Sause im feinen Schloss«, dort, wo bis dato nur die renommierten Oberliga-Mannschaften vor ihren Auswärtsspielen beim FC Hansa Rostock logierten.
Nicht nur auf dem Fußballfeld war etwas bewegt worden. Innerhalb weniger Wochen wurde der Sozialtrakt auf dem bescheidenen Sportplatz hochgezogen. »Vorher haben wir uns unter freiem Himmel oder in der Gärtnerei umgezogen«, schildert Plötz.
Es folgten »zwei Jahre, die kompletter Wahnsinn waren«, so Plötz. 2500 Zuschauer kamen zum Lokalderby gegen die Elf von Hansa Rostock, die 1977 aus der Oberliga abgestiegen war. »Dabei gab es bei uns nicht einmal eine Tribüne. Der Endstand war 2:2. Die Zuschauer standen wie ein Mann hinter uns«, erinnert sich Plötz und spricht dabei so begeistert, als wäre das Spiel gestern gewesen. »Wir waren kampf- und konditionsstark«, lobt Manfred Plötz noch heute.
Im ersten Jahr der DDR-Liga-Zugehörigkeit hielt »Rotes Banner« sicher die Klasse. Dann aber kam der Leistungsabfall. Der kleine Dorfverein verpflichtete aussortierte Spieler von Vorwärts Stralsund und Hansa Rostock. Damit war der sensible Dorf-Teamgeist gestört. Die Schicksalsstunde für Trinwillershagens Fußball schlug am letzten Spieltag der Saison 1977/1978 - »Rotes Banner« stieg ab und nie wieder in die Liga auf.
Manfred Plötz, der einst Betonbauer war und sich in den Jahren nach der Wende bis 1999 mit seinem Bauunternehmen selbstständig gemacht hattte, verwaltet heute akribisch alle Erinnerungen aus der »schönen Liga-Zeit«. Ein Haufen Anstecknadeln, Wimpel, Pokale und Zeitungsartikel.

Fußball-Tradition über die Wende-Wirren erhalten

Der 53-Jährige ist stolz darauf, dass in Trinwillershagen ein gutes Stück Fußball-Tradition weiter lebt und nicht in den Wirren der Wende wie bei vielen anderen Landsportgemeinschaften untergegangen ist. Nicht zuletzt ist das auch ein Verdienst von Manfred Plötz.
Der SV Rot-Weiß Trinwillershagen schaffte Ende der 90er Jahre noch einmal den Sprung in die Verbandsliga. Aber nur für kurze Zeit. Inzwischen spielt die erste Männer-Mannschaft in der Staffel Ost der Landesliga. In der letzten Saison belegte sie dort als Siebenter im Feld der 14 Mannschaften einen guten Mittelfeldplatz.
Heute zählt die Fußball-Abteilung 140 Mitglieder. Der gesamte Verein mit seinen weiteren Abteilungen Handball, Volleyball, Tischtennis und zwei Gymnastikgruppen umfasst rund 230 Mitglieder. Im Fußball stehen immerhin sieben Mannschaften - von den Männern bis zu den D-Junioren - im Wettspielbetrieb. Dazu kommt noch ein Alte-Herren-Team (»Da spiele ich aber nicht mit«, sagt Plötz und fügt hinzu: »Verletzungsbedingt.«) und eine Freizeit-Mannschaft. Plötz selbst trainert die D-Junioren.

Neues Projekt: Junge Leute von der Straße holen

Manfred Plötz ist die »gute Seele von Trin«. Er hat inzwischen sein Bauunternehmen aufgeben müssen und kümmert sich jetzt als Leiter eines Projekts speziell um den am Fußball interessierten Nachwuchs. »Mit dem vom Arbeits- und Versorgungsamt geförderten Projekt wollen wir junge Leute von der Straße holen, für den Freiteitsport interessieren und möglichst in unseren Verein integrieren«, schildert Plötz.
Die Sache läuft schon im ersten Jahr vielversprechend. Denn auf diesem Weg sind schon vier Fußball-Nachwuchsmannschaften aufgebaut worden...
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