- Politik
- Zur Sache Auffüllbeträge werden abgeschmolzen
Renten werden über Jahre stagnieren
Daß die ostdeutschen Renten auf Jahre ein Reizthema sein werden, dafür haben die Wendepolitiker mit ihrem Rentenüberleitungsgesetz gesorgt. Spätestens zu Beginn des nächsten Jahres wird ein weiteres Problem auf dem Tisch liegen. Hunderttausende - vor allem Frauen - werden über lange Zeit von den alljährlichen Rentenanpassungen ausgeschlossen bleiben. Und das trotz steigender Mieten, Preise und Tarife. Für soziale Spannungen dürfte damit gesorgt sein.
Das derzeit geltende Recht schreibt vor, daß die Auffüllbeträge ab 1996 bei jeder Rentenanpassung schrittweise um ein Fünftel, mindestens aber um 20 Mark gemindert werden. Der Betrag, der zur Auszahlung kommt, darf allerdings nicht niedriger sein als der bisherige Zahlbetrag.
Um es deutlicher zu machen, ein fiktives Beispiel: Angenommen ein Rentner erhält 1 200 DM Rente, wovon 200 DM als Auffüllbetrag gezahlt werden. Der Teil der Rente, der regelmäßig erhöht wird, beträgt also 1 000 DM. Der Auffüllbetrag soll um ein Fünftel - also um 40 DM - abgeschmolzen werden. Angenommen 1996 käme es zu einer Rentenanpassung von fünf Prozent, dann müßte die Rente eigentlich um 50 DM angehoben werden. Da aber gleichzeitig der Auffüllbetrag um 40 DM abgeschmolzen wird, erhöht sich die Rente nur um zehn DM auf 1 210 DM.
Sollten allerdings 1996 die Renten nur um drei Prozent erhöht werden - was nach den “Auskünften de“r~Päcrrleute sehr viel wahrscheinli-' fctier ( 'ist' -', er'g'ib't'' sich' eine andere Situation: Die Rente müßte um 30 DM angehoben werden. Da der alte Rentenzahlbetrag von 1 200 DM durch das Abschmelzen des Auffüllbetrages nicht verringert werden soll, kann der Auffüllbetrag nicht um 40 DM, sondern nur um
30 DM abgebaut werden. Und das hat Konsequenzen, die nicht ohne Brisanz sind. Die Rente erhöht sich - trotz Rentenanpassung - nicht, sondern bleibt bei 1 200 DM stehen. Und der Auffüllbetrag ist auch noch nicht abgebaut. Was bedeutet, daß die betroffenen Rentner trotz Inflationsrate mit der alten Rente auskommen müssen.
Wie so häufig betrifft es vornehmlich die Frauen. Die BfA hat für ihre 665 000 Altersrentnerinnen folgende Berechnung angestellt. Unterstellt man für 1996 eine Rentenanpassung von fünf Prozent, so erhalten über 310 000 Frauen keine Erhöhung. Liegt der Anpassungssatz nur bei drei Prozent, so bleiben 450 000 Frauen auf ihrer alten Rente sitzen.
Unterstellt man für fünf Rentenanpassungen nacheinander einen Anpassungssatz von jeweils fünf Prozent, so die Rechnung der BfA, dann bleiben die Renten von 275 000 Frauen für diese fünf Rentenanpassungen unverändert. Und nach dieser Modellrechnung wird es sogar 160 000 Frauen geben, die auch nach zehn Rentenanpassungen noch immer keinen Pfennig mehr erhalten.
Wie gesagt, diese Zahlen beziehen sich nur auf die Angestelltenversicherung. In der Arbeiterrentenversicherung liegen die Verhältnisse ähnlich - wenn nicht sogar mit einer größeren Betroffenheit zu rechnen ist. Es kann also nicht verwundern, wenn auch die BfA der Auffassung, ist, daß „das Abschmelzen der Auffüllbeträge'' : 'durchaus zu' “Sozialer? Konflikten führen“ kann. M v/
Für die Politik ist also Handlungsbedarf gegeben. Da das Problem der Sonderund Zusatzversorgungen ebenfalls noch nicht vom Tisch ist, dürfte uns das Thema Ostrenten noch lange erhalten bleiben.
HANNELORE HUBNER
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