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  • Kultur
  • Vor 400 Jahren starb Torquato Tasso, der das Urgesetz des Goldenen Zeitalters verkündete: „Erlaubt ist, was gefällt!

Die Dichterkrönung erlebte er nicht mehr

  • Lesedauer: 4 Min.

Am Anfang war der Vers. Und der Vers war Musik. War Bild in Farben, mit weichem Pinsel konturiert. Betörend fast im Klang der Wörter, deren Zusammenspiel die Zauberkraft der Sprache offenbart.

„Mit Tasso taucht man in ein Meer von Lyrik“, schreibt ein Rezensent. Man tauche! Zum Beispiel in dieses lyrische Gewässer: Die Wälder und die Ströme schweigen,/Das Meer liegt ohne Welle./In ihren Höhlen ruhn/Die Winde befriedigt. Der helle/Mond in dämmernder Nacht/Bereitet erhabene Stille. Oder in jenes: Wer lieben lernen will,/ Verlerne Ehrerbietung, wage, fordre,/ Sei lästig und aufdringlich, stehle schließlich,/ Und ist das nicht genug, so mag er rauben.

Die Sprachbilder und Wortklänge, empfindsam eingebettet in Überfülle von Phantasie, wirken wie der Steinwurf im Wasser Sie ziehen Kreise. Maler fühlen sich von dieser Dichtung angeregt, so Tintoretto,

Das Abendessen war wie immer- Brot, Bier, Käse, drei Sorten Wurst, von denen eine wie die andre schmeckte. Dann satt und unzufrieden in die Sofaecke: Was gibt's denn im Fernsehen?

Im ORB gab's endlich mal was anderes. Nämlich Zitronenhuhn und Aioli, Räucherforellenmousse und in Butter gedünstete Feinfrosthimbeeren auf Vanilleeis, ein Gemeinschaftsmenü der Feinschmecker Alfred Biolek und Alice Schwarzer, angerichtet in Bios Küche. „Alfredissimo!“ heißt das kulinarische Serienvergnügen der ARD nach dem Buch „Meine Rezepte“ (Verlag Zabert Sandmann, 39,80 DM), in dem sich der Moderator Bio als passionierter Koch zu erkennen gibt. Daß die grassierende Mode, literarische Bestseller für den Bildschirm zu erschließen, auch vor Kochbüchern nicht Halt machen würde, war zu erwarten, und möglicherweise ist den Öffentlich-Rechtlichen in Köln damit etwas Zukunftsträchtiges gelungen: Das Pilotprojekt einer Soup-Opera als kulinarischer Gegenentwurf zur abgetingelten Soap-Opera, deren süßliche deutsche Produktionen bloß noch mit Natron zu genießen sind. Auch gäbe wohl mancher der Suppenoper den Vorzug vor der Seifenoper, weil sie uns das Wasser im Munde statt im Auge zusammenlaufen läßt und so das lästige Brillenputzen erspart.

Bios Prinzip, in jeder Folge einen anderen prominenten

van Dyck, Delacroix und andere; Komponisten wie Haydn, Gluck und Rossini greifen seine Themen auf. Man vertont die Sonette.-Als Goethe in Venedig weilt, hört er die Gondolieri „ihren Tasso“ auf eigene Melodien singen. Müßig zu betonen, daß sich die Dichterzunft an ihm entzündet. Schiller stellt fest: „Der Tasso liegt in allen Gliedern!“ Goethe wählt ihn zur Zentralfigur eines Schauspiels.

Torquato Tasso - im Schäferspiel „Amyntas“ verkündet er das Urgesetz des Goldenen Zeitalters: „Erlaubt ist, w,as gefällt!“ Die Literaturgeschichte nennt ihn den unglücklichen großen Dichter der Spätrenaissance, den unerreichten Meister der Sprache. 1544 in Sorrent geboren. Am 25. April 1595 in Rom verstorben. Frühzeitig mit gediegener Bildung versehen, bestimmt ihn der Vater zum Studium der Rechtswissenschaft in Padua. Fakultätswechsel zur Philosophie.

1562 erscheint sein erstes Werk „Rinaldo“ Der souveräne Umgang darin mit Reim und Sprache bringt dem Achtzehnjährigen weithin Anerkennung. Drei Jahre später reist er nach Ferrara, nimmt die Dienste der Familie d'Este an, die man als Förderer von Kunst und Wissenschaften rühmt. Er erhält ausreichend Freiraum für-literarische Arbeiten. Im Sommer 1573 wird auf der Po-Insel Belvedere „Amyntas“, sein sinnlich-heiteres Spiel von Liebesleid und -lust, uraufgeführt. Es gilt fortan als beispielhaft für Hirtenund Schäferszenen.

Vor allem aber entsteht Tassos Epos „Die Befreiung Jerusalems“ Eine Dichtung aus mehr als tausendsechshundert Versen. Inmitten überquellender Nebenhandlungen ist hier die durchgängige Gestaltung eines historisches Vorganges gelungen - der Eroberung der Stadt im Jahr 1099 durch Gottfried von Bouillon. Das reich-

haltig-bunte Geschichtenbuch verschafft Torquato Tasso europäischen Ruhm.

Neben dem Fortgang von Lyrik und Prosaschriften zeigen sich aber zunehmend Symptome einer psychischen Erkrankung des Dichters. Ihre Deutung reicht vom paranoiden Zustand bis zur Simulierung. Wahrscheinlich sind es Auswirkungen eines Ursachenkomplexes, der überwiegend in Tassos Persönlichkeitsstruktur und neurotischer Prädisposition begründet liegt und zum Teil in äußeren Umständen. Hinzu kommen wiederkehrende Fieberanfälle, die seinen Körper schwächen (Malaria?). Depressive Phasen wechseln mit großer Unruhe (manisch-depressiv?). Es treibt ihn von Stadt zu Stadt. Doch Ferrara bleibt sein geistiger Mittelpunkt.

Auch 1579 kehrt er wieder dorthin zurück; verursacht am Hof einen Eklat und wird vom

langjährigen Gönner, Herzog Alfonso II. d'Este, in Gewahrsam genommen. Sieben lange Jahre! Die Unterbringung erfolgt im Kloster Sant' Anna, dessen Hospital Geisteskranke betreut... Nach seiner Entlassung, für die sich viele Persönlichkeiten verwenden, sejzt er die literarische Tätigkeit fort. Er hatte sie'auch im Hospital nicht unterbrochen. Aber die krankhafte Unrast bleibt. Bewunderung und Anerkennung jedoch steigen. In Rom soll er auf dem Capitol zum Dichter gekrönt werden, wie einst Petrarca. Diese Ehrung findet nicht mehr statt.

Torquato Tasso sendet Anfang April 1595 einen Brief an den Freund Antonio Constantini: „Was wird mein lieber Herr Antonio sagen, wenn er hört, daß sein Tasso gestorben sei? Ich glaube, die Nachricht wird nicht lange auf sich warten lassen...“

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