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West-Manager stellen Frauen nicht ein

Ministerin Nolte: Weibliche Existenzgründungen aus Mut der Verzweiflung Von PETER LIEBERS

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Unternehmen bleiben stur, die Frauenbeschäftigungsquote ist in den neuen Bundesländern seit der deutschen Vereinigung von 90 auf 73 Prozent gesunken. Dafür ist bei Frauen die Arbeitslosenquote doppelt so hoch wie bei Männern, bei den Langzeitarbeitslosen stellen sie gar 77 Prozent. Von zehn neuen Jobs wird nur einer an eine Frau vergeben.

Mit diesen Zahlen charakterisierte Bundesfrauenministerin Claudia Nolte (CDU) am Montag in Erfurt auf einer Konferenz zur Situation der Frauen auf dem ersten Arbeitsmarkt die Lage im Osten Deutschlands. In der Wirtschaft finde weiter ein Selektionsprozeß zu Lasten der Frauen statt, der nicht mit vorgegebenen Strukturen zu begründen sei. Da der Erwerbswunsch der Frauen aber nach wie vor hoch sei, müsse dieser

Trend umgekehrt und Gleichberechtigungspolitik als Strukturpolitikbegriffen werden. Als erfreulich wertete es die Ministerin, daß ein Drittel der Existenzgründer Frauen sind. Dieser Schritt erfolge aber „manchmal aus dem Mut der Verzweiflung über die Arbeitslosigkeit.“ Nach Ansicht der Ministerin muß die Wirtschaftsförderung stärker auf Frauenbeschäftigung ausgerichtet werden. Die dürften gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht als Manövriermasse des Arbeitsmarktes mißbraucht werden, das gefährde den sozialen Frieden.

Zumindest, was die Wirtschaft angeht, scheint dieser fromme Wunsch allerdings auf taube Ohren zu treffen. Für Thüringens Wirtschaftsminister Franz Schuster (CDU) resultiert die hohe Frauenarbeitslosigkeit überwiegend daraus, daß in der DDR die Rationalisierung durch den Ein-

satz weiblicher Arbeitskräfte ersetzt wurde und viele nicht in der Lage waren, die modernen, computerdominierten Arbeitsplätze zu besetzen. Auch von Förderpräferenzen mochte er nichts wissen. Gemeinsam mit dem Präsidenten des Verbandes der Thüringer Wirtschaft, Edwin Veit, stimmte Schuster das Klagelied vom gefährdeten Standort an und verlangte Flexibilität der Arbeitszeit, die 7-Tage-Woche und die Senkung der Lohnnebenkosten. Der zweite Arbeitsmarkt müsse zeitlich begrenzt und auf Qualifizierung und Umschulung konzentriert werden. Lösungen für die spezifischen Probleme der Frauen kamen bei beiden nicht vor

Friederieke Behringer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin führte die Schusterschen Gründe für die Frauenarbeitslosigkeit ad absurdum. Die frauen-

diskriminierende Einstellungspolitik gehe auf die frauenfeindliche Einstellung der Manager aus dem Westen zurück und nicht auf schlechtere Ausbildung. Selbst mit besseren Zeugnissen und Kenntnissen hätten Frauen schlechtere Karten. Wissenschaftliche Untersuchungen belegten, daß zunehmend frauenspezifische Branchen wie Handel und Banken zu Mischbranchen und Mischbranchen in der Industrie zu Männerdomänen werden. Die - Schätzungen zufolge - bis in das nächste Jahrtausend hinein fehlenden rund 1,7 Millionen Arbeitsplätze könnten nur durch Reduzierung von Mehrarbeit und Überstunden, durch erweiterte Teilzeitangebote und geringere Gesamtarbeitszeiten kompensiert werden. Außerdem gelte es, die personalpolitischen Entscheider zu überzeugen, daß es sich lohnt, Frauen einzustellen. Das sei aber mühsam.

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