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  • Kultur
  • „Der Trinker“, TV-Film von Ulrich Plenzdorf und Tom Toelle nach dem Roman von Hans Fallada (ARD)

Nach diesem Film kann man nicht einfach umschalten

  • PETER HOFF
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Sendung eilte das Lob bereits voraus. Tatsächlich fällt „Der Trinker“, die Adaption von Hans Falladas 1950 publiziertem nachgelassenem Roman durch Ulrich Plenzdorf und Tom Toelle, aus dem Rahmen dessen, was uns an Fernsehfilmen tagtäglich angeboten wird. Erstaunen läßt uns heute, was einmal selbstverständlich_war: ein .ernsthaftes. An-__ liegen, ein Szenarium mit realistischen, gestischen Dialogen, engagierte Darsteller, eine klar ablesbare Erzählweise, überlegte und eigenwillige, perfekt realisierte Licht- und Kameraführung. Die gängige Serienkonfektion hat uns dieser Selbstverständlichkeiten entwöhnt. Eine Drehreportage von Michael Strauven, am vergangenen Freitag von B 1 gesendet („Wie Juhnke den Trinker spielt“), hat die intensive

Arbeit von Toelle und Juhnke an Film und Rolle dokumentiert.

Und doch hinterließ dieser Fernsehabend - nach diesem Film kann man nicht einfach umschalten, und auch das spricht für ihn - bei mir ein seltsam flaues Gefühl. Das Schicksal des Gemüsegroßhändlers Erwin Sommer, der

nach__ eineiiL__geschäftlichen

Rückschlag zur Flasche greift und sich schnell an den psychischen und physischen Ruin säuft, wollte mir nicht nahegehen, so sehr mich auch das Spiel von Harald Juhnke beeindruckte.

Juhnke geht mit dieser Gestalt schonungslos um, er scheut nicht naturalistische Details, er demonstriert ohne jede Rücksicht den Persönlich-^ keitsverfall, den dieser Mensch durchmißt. Er zeigt den Selbst-

betrug und den Betrug, die Illusion des Neubeginns mit dem Traum von „Paris“ als Fluchtpunkt, den er mit der jungen Kellnerin (Deborah Kaufmann) ansteuern will und der mehr

Schauspieler' Christian Grashof, Dietrich Körner, Eberhard Esche, Thomas Neumann. Sie sind ernsthafte darstellerische Arbeit gewohnt und machen spürbar keinen Unterschied, ob sie auf der Bühne oder im Fernsehen spielen. Diese Rollen, oftmals nur winzig wie die von Esche, haben Profil.

Warum also trotzdem dieses .flaue Gefühl? - Ein Freund, mit dem ich nach der Sendung telefonierte, brachte mich darauf: Was seinerzeit, als Hans Fallada seinen Roman schrieb, Mitte der vierziger Jahre, als soziale Erscheinung, die von einem Schriftsteller benannt wurde, schockierte, ist heute ein Massenschicksal, in der Wirklichkeit kaum beachtet oder höchstens mit Ekel konstatiert.

Ulrich Plenzdorf hat die Romanhandlung nämlich in die

Gegenwart transponiert, Erwin Sommer scheitert an der politischen „Wende“, die seine traditionellen Lebensvorstellungen zerstört, an dem veränderten sozialen Verhalten seiner Umwelt, dem er, ein Mensch voller Vertrauen in die anderen, nicht gewachsen ist. An der „Wende“ sind im Osten viele zerbrochen, viele auch in den Alkoholismus abgerutscht. Wir begegnen ihnen auf den Straßen, auf den Bahnhöfen, den Obdachlosen mit dem billigen Fusel, dem wohlfeilen, allzeit verfügbaren Tröster. Ihre Entwicklung hin zur Selbstaufgäbe konnten wir in den vergangenen sechs Jahren nach jeder neuen Kündigungswelle auf unseren Straßen beobachten. Arbeitslosigkeit, Verlust des sozialen Halts und Abrutschen in die Asozialität haben wir als „Schicksals-

schläge“ akzeptieren gelernt. Unter den Gescheiterten sind viele einst Gutsituierte.

Wohl deshalb erweckt bei dem, der offenen Auges durch diese, unsere Alltagswelt geht, das Schicksal des Erwin Sommer in Juhnkes Darstellung zwar ästhetisches Interesse, aber es vermag wohl kaum noch zu schocken. In Deutschland gibt es gegenwärtig 2,3 Millionen Alkoholkranke, der Durchschnittsverbrauch liegt bei 12 Liter reinem Alkohol pro Kopf und Jahr, damit halten die Deutschen die Spitzenposition unter den Trinkernationen. Das Einzelschicksal vermag zu rühren, die Massenerscheinung ist nichts als ein statistisch belegter Fakt. Vielleicht hat der Film seine Wirkung schon damit erreicht, wenn er zum Nachdenken darüber anregt.

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