- Kultur
- „Mercedes“ von Thomas Brasch im BE
Ohne Perspektive
Zunächst einmal ist zu begrüßen, daß ein Text Thomas Braschs auf dem Spielplan des Berliner Ensembles erscheint. Seit der Schließung des Schiller Theaters ist der Autor ohne feste Wirkungsstätte, ohne „Laboratorium“, in dem er auf seine unkonventionelle Weise mit sozialer Wirklichkeit experimentieren kann. Seine lebenstrotzigen Spielvorschläge sind für Schauspieler wie Publikum eine Herausforderung. So auch sein Opusculum „Mercedes“ aus dem Jahre 1983 (Uraufführung 1983 am Schauspielhaus Zürich, Regie Matthias Langhoff; DDR-Erstaüfführung 1988 am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin, Regie Jochen Ziller). Die Gemeinschaftsproduktion jetzt mit der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf, Regie Veit Schubert, unternommen in der Probebühne mit Studenten des 2. Studienjahres, ist ein Achtungserfolg für die Ausbildung wie für den Autor.
Der durchaus aktuelle Reiz des Textes: Oi und Sakko, zwei arbeitslose junge Deutsche, jonglieren mit ihrem Traum, einem Auto, einem „Merce-
des Allerdings nicht wirklich, sondern mit Hilfe ihrer Phantasie. Hurtig werden mit Kreide wichtige Details an eine Tafel gemalt: Airbag, Klimaanlage, Telefon, Stereo-Lautsprecher. Locker überspringen Oi und Sakko alle Regeln, vor allem die des Verkehrs, die Gesellschaft wie Alltag vorgeben. Sie kurven neugierig in die Natur wie nachdenklich zurück in den Weltkrieg. Sie probieren Liebe, und sie fahren einander tot. Enttäuschte Hoffnungen in einer Welt, die der Jugend keine Perspektive geben kann.
Die episodische Stück-Konstruktion ist für Studenten kein leichtes Spielmaterial. Daß Misel Maticevic und Andree Solvik abwechselnd den Sakko und den Mann im Auto geben, ist ihrer Ausbildung dienlich, dem Textverständnis nicht. Beide Eleven kommen mit den verhaltenen Passagen noch am besten zurecht. Die schnoddrige Lockerheit, die der Autor will, braucht mehr sprecherische Präzision. Svea Petersen als dralle Oi überzeugt, wenn sie schnippisch ist.
GERHARD EBERT
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