Staatsbetrieb am Pranger

Landeskriminalamt prüft Ermittlungsverfahren gegen Berliner Behörde

  • Michaela von der Heydt
  • Lesedauer: 2 Min.
Wegen des Verdachts der Untreue und Verstößen gegen das Vergaberecht prüft das Landeskriminalamt Berlin die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Landesbetrieb für Informationstechnik (LIT).
Die Vergabepolitik des Berliner Landesbetriebs für Informationstechnik (LIT) sei parteilich, verstoße gegen Vergaberecht, koste den Steuerzahler Millionen, und der Berliner Senat als Rechtsaufsicht sehe untätig zu. So lauteten die Vorwürfe der rund 100 Demonstranten, die gestern vor dem Berliner Abgeordnetenhaus die Parlamentarier über die LIT-Affäre informieren wollten. Denn gleichzeitig tagte der Ausschuss für Verwaltungsreform und Informationstechnik. Mit Kind und Kegel waren Mitarbeiter der mittelständischen Computerfirmen Esotronic, Online Datentechnik, Chipset und Omnilab angerückt, um die »dubiosen Machenschaften des LIT« anzuprangern, wie Esotronic-Geschäftsführer Michael Eger dem ND sagte. Allein bei Esotronic stünden knapp 70 Arbeitsplätze auf dem Spiel, davon 8 Auszubildende. Den langwierigen Rechtsweg werde die Firma zwar gehen, möglicherweise aber finanziell nicht überstehen. Streitpunkt ist die Beschaffung von Computersystemen für die öffentliche Verwaltung in zweistelliger Millionenhöhe pro Jahr. Organisiert werden die nötigen Sammelausschreibungen vom LIT. Dessen Vorgehensweise wurde kürzlich auch vom Verwaltungsgericht angeprangert und die Ausschreibung von 2003 in weiten Teilen aufgehoben. Das Gericht kritisierte vor allem, dass der LIT jeweils zwei Bieterfirmen Ausschreibungsteile (Lose) gewinnen ließ, ohne Stückzahlen festzulegen. So konnte der LIT selbst entscheiden, welche Firma Aufträge erhielt. Es war größtenteils ein Vertragshändler von Fujitsu Siemens Computer (FSC), erklärte Eger. »Der LIT will uns vom Markt drängen, weil wir ihm auf die Finger schauen«, bemerkt Eger. Diesen Eindruck hatte auch das Kammergericht: Der Rahmenvertrag lade geradezu zu Missbräuchen ein, urteilten die Richter. Gegen Mitarbeiter des LIT und von FSC prüft das Landeskriminalamt Berlin die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Mit FSC-Mitarbeitern beschäftige sich auch die Staatsanwaltschaft in Hannover, sagt Esotronic-Anwalt Thomas Mestwerdt. Der Senatsplan, 2005 den LIT in eine Anstalt öffentlichen Rechts umzuwandeln, könnte den Steuerzahler teuer zu stehen kommen. Der LIT hat bereits ein Monopol etwa bei Telefonanlagen, beim Internetzugang, bei E-Mail-Systemen oder der zentralen Datenspeicherung. Hier müsse die Stadt Leistungen kaufen, teils um ein Vielfaches teurer als nötig, sagt Eger. Den Wettbewerb jetzt auch im Computerbereich auszuschalten, davor warnt auch die Berliner Grünen-Abgeordnete Barbara Oesterheld. Jüngstes Opfer der Vergabepraxis ist das Projekt »Computer in die Schulen« (CidS). 2000 Rechner sollen 2004 gekauft werden. Das vom Gericht gekippte LIT-Angebot soll rund 380000 Euro teurer sein als das von Esotronic, das der LIT aber offenbar nicht anbieten wollte.
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