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Gewerkschaft bringt im Erzgebirge nur wenig Protest auf die Beine

Montagsdemonstration in Sachsens Armenhaus: Höchste Arbeitslosigkeit, niedrigste Löhne Aus Aue berichtet MARCEL BRAUMANN

  • Lesedauer: 4 Min.

Dann ist aber immer noch nicht Schluß, sondern Thomas Colditz ergreift das Mikrofon. Der CDU-Landtagsabgeordnete aus Aue leidet offenbar bereits seit 1985 unter seiner Parteimitgliedschaft, das Antlitz des 38jährigen ist von endlosem Unbehagen gezeichnet. Nun spricht es aus ihm: Die Regierung in Dresden sei „der Region zugewandt“, ein Bündnis für Arbeit dürfe nicht politischen Interessen dienen, die in jüngster Zeit gehäuften Firmenpleiten seien „nicht auf politische und staatliche Fehlentwicklungen zurückzuführen“

Ohne den Treuhand-Nachfolger BVS geht's nicht, und man dürfe die „komplizierte Situation nicht für Profilierung nutzen“ Colditz tritt zur Seite, läßt sich von PDS-Manke die Hand geben und all die Klagen der Passanten mit Leidensmiene über sich ergehen. Wieder spricht die vermeintliche Einsicht in die Notwendigkeit aus ihm heraus: Man dürfe Investoren nicht verschrecken, die würden sonst woanders ihr Geld hinbringen. „Na und, sollense doch alle nach Hongkong verschwinden“, ruft einer dazwischen. Colditz lächelt gequält.

Wolfgang Herrmann ist Lampen- und Elektrohändler und der einzige Gewerbetreibende, der dem Aufruf gefolgt ist, sich am Protest gegen Deindustrialisierung zu beteiligen. Das Kernproblem sei die „himmelschreiende Ungerechtigkeit der großen Politik“, die die Lohnfortzahlung für Kranke antasten, aber Vermögen unbehelligt lassen wolle. Erst habe man den Leuten der Erzgebirgsregion gesagt: Wenn die D-Mark kommt, geht's aufwärts. .Daraus sei nichts, geworden. Dann hieß es; Wenn die Eigentumsverhältnisse, geklärt sind, geht's aufwärts. Erneut Fehlanzeige, denn „das Geld fließt wieder in den Westen“ Die Waren kommen über die Autobahn, und das größte Geschäft machen die westdeutschen Warenhaus-Ableger auf der grünen Wiese. Doch deren Kunden halten still; Karl Hegner vom Büro Aue der IG-Metall-Verwaltungsstelle Zwickau zeigt sich „etwas enttäuscht, daß wir nicht mehr sind als beim letzten Mal“

Das letzte Mal war der Montag am 1. April. Die'PDS hatte zur Demonstration gegen den wirtschaftlichen Niedergang des Kreises aufgerufen, und 200 Menschen versammelten

sich am Kreiskulturhaus und zogen zum Altmarkt. Wenige Tage später lud die IG Metall Politiker und Betriebsräte zum Gespräch über ein mögliches regionales „Bündnis für Arbeitsplätze und soziale Verantwortung“ Für den entsprechenden öffentlichen Nachdruck sollten Montagsdemonstrationen sorgen, beginnend am 15. April.

Doch aus dem „Bündnis“ wurde nichts. Denn außer den Gewerkschaftern waren lediglich PDS-Kreistagsfraktionschef Erich Mehlhorn und SPD-Landtagsabgeordnete Gudrun Klein von der Idee begeistert. Emanuel Klan, Bürgermeister

der Stadt Aue, fürchtete investorenfeindliches Image als Unruheherd und war dagegen, den Konflikt auf die Straße zu verlegen. Und auch Betriebsräte von zwei Unternehmen aus Aue und Schwarzenberg machten klar, daß sie nur ums eigene Überleben kämpfen und nicht für andere Betriebe die Stimme erheben würden.

In Aue gibt es neben der Sparkasse ein weiteres großes Gebäude, das was hermacht, allerdings von innen - das Alternative Kulturzentrum (AKZ) am Postplatz. Hier steht Lutz Manke als Wirt im Cafe „Durchblick“, PDS-Landtagsabgeordnete halten Sprech-

stunden ab, Vereine und Gruppen finden ebenso Platz wie Kinder in einem hübschen Spielzimmer Im Keller ist ein Kino eingerichtet worden. Zwischen den Bildern von Lenin und Modrow sammelt die PDS ihre Kräfte, und ob der Aufruf des Gewerkschafters Hegner zur Wiederbelebung des 1. Mai ein Flop wird oder nicht, entscheidet sich allein hier.

Die einzige größere regelmäßige Menschenansammlung in dieser Ecke des Erzgebirges vollbringt ansonsten die Vorbereitung des Nazi-Volkstheaterstücks „Spiel vom getreuen Horlemann“, das auf dem Deutschen Bergmannstag

in Schneeberg aufgeführt werden soll (ND berichtete). Der Stadtrat von Schneeberg gab in der vergangenen Woche nach heftigem Schlagabtausch dem Stück seinen mehrheitlichen Segen, die Laienspielerschar darf weiterarbeiten. Zwar verursachte das von einem Pfarrer überarbeitete braune Werk Politikern unterschiedlicher politischer Couleur erhebliche Bauchschmerzen, doch nur die PDS nutzte vor der Abstimmung das Recht auf Widerspruch. Das Horlemann-Spiel werde ein „bundesweiter Skandal“, prophezeit Erich Mehlhorn.

PDS-Mann Mehlhorn sieht einen Zusammenhang zwischen einem Stück, das heroischen Opfergeist kultiviert, und einer Politik, die Menschen ohne Erwerbsarbeit läßt. Da werde ein Potential für Auslandseinsätze der Bundeswehr geschaffen, vermutet Mehlhorn gegenüber ND. Kommenden Mittwoch gastiert übrigens die Ausstellung „Unsere Luftwaffe“ in Annaberg-Buchholz.

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