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Wieder ein Vietnamese tot aufgefunden

Trotz Fahndungerfolgen und Urteilen im Milieu regiert nach wie vor die Angst Von Marina Mai

  • Lesedauer: 2 Min.

Am Mittwoch abend wurde ein aus Nordvietnam stammender Zigarettenverkäufer in seiner Wohnung in Marzahn ermordet aufgefunden. Die Ermittlungen laufen, bisher liegen Erkenntnisse weder zum Motiv noch zu den Tätern vor. Es gilt als wahrscheinlich, daß der Mord im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen in der »Zigarettenmafia« steht.

Der letzte Mord in diesem Milieu liegt fast drei Monate zurück. Die Ruhe seither war nur eine scheinbare. Die Angst vor der Mafia ist unter den Berliner Vietnamesen allgegenwärtig. Durch diese Angst

werden andere Straftaten - z. B. Erpressung - erst möglich. Man muß schon vor existentiellen Fragen stehen, wenn man da die Polizei um Hilfe bittet, statt die geforderte Summe zu zahlen. Denn trotz erster Ermittlungserfolge und erster Verurteilung der Beteiligten an einem Mord ist die Mafia für die Berliner Vietnamesen immer noch mächtiger als die Ermittlungsbehörden. Und wenn es auch in Deutschland inzwischen praktiziert wird, Zeugen durch Programme zu schützen, die Verwandten in Vietnam kann man' noch nicht schützen. Und gerade denen zu schaden, lauten jüngste Drohungen der Mafia. Insider berichten, daß die Ermittlun-

gen der Polizei immerhin zu einem Ausdünnen der Transportwege der unverzollten Zigaretten geführt haben. Die Folge: Mancherorts reichen die billigen Glimmstengel nicht mehr bis in die Abendstunden. Das bedeutet immerhin Umsatzeinbußen für die »Branche«. Wenn dies auch für die Mafiabosse kaum existentielle Folgen haben dürfte, viele der Straßenverkäufer müssen mit den Tageseinnahmen rechnen. Und damit stehen die Ermittlungserfolge in Frage, wenn nicht gleichzeitig Resozialisationsprogramme - sprich Schaffung vernünftiger aufenthaltsrechtlicher Regelungen - für die vielen Vietnamesen laufen, die sich ihren Lebensunterhalt auf legalem Weg nicht mehr verdienen können. Schon das geringe Alter der bisher Erfaßten spricht dafür, daß sie innerhalb der Mafiastruktur »kleine Fische« sind. Unter Vietnamesen gilt nämlich, wie unter anderen Asiaten auch, das Senioritätsprinzip. Solange die Oberen in der Struktur nicht gefaßt sind, sind sie in der Lage, ihr illegales Geschäft auszudehnen. Dann wird die Angst unter den vietnamesischen Berlinern bleiben.

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