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Sind Sie PKK-Sympathisant?

Rüdiger Lötzer Herausgeber des »Kurdistan-Rundbriefs«

  • Lesedauer: 4 Min.

Das seit neun Jahren und 14tägig erscheinende Infoblatt war gemeinsam mit der PKK und verschiedenen Vereinen 1993 vom Innenministerium verboten worden. Lötzer(43)kamvor Gericht.

Foto: Robert Grahn

? Herzlichen Glückwunsch. Sie wurden gerade von dem Vorwurf freigesprochen, »Werbung für eine verbotene Vereinigung« gemacht zu haben - wegen des Abdrucks einer Grußadresse von PKK-Chef Abdullah Ögalan im von Ihnen herausgegebenen »Kurdistan Rundbrief«. Wie fühlt man sich danach im Rechtsstaat?

Angenehm bestätigt in der Position, die wir schon lange eingenommen haben und die auch unter Journalisten inzwischen verbreitet ist: nicht mehr alles zu glauben, was der Verfassungsschutz behauptet - Stichwort PKK-Mordkommandos usw -, sondern lieber bei den Originalquellen zu recherchieren. Es hat ja inzwischen schon einige Interviews mit dem PKK-Vorsitzenden gegeben. Der Richter hat mir allerdings gleich mitgeteilt, das Verfahren sei womöglich nicht endgültig abgeschlossen, da er damit rechnet, daß die Staatsanwaltschaft dagegen in Revision geht. Dann geht das Ganze zum Bundesgerichtshof.

? Welche Konsequenzen hätte das für Sie und den »Kurdistan Rundbrief«?

Wir würden, falls es zu einem Negativurteil des BGH kommt, vor das Verfassungsgericht gehen und notfalls auch vor europäische Instanzen ziehen. Es kann nicht hingenommen werden, den Kurs von Kanther und Kinkel in der Innen- und Außenpolitik in kurdischen Angelegenheiten jetzt auch zur Zensurvorschrift für die Presse zu machen.

? Wenn Sie da mit einem positiven Ergebnis herauskämen, hätte das Auswirkungen auf die Rechtslage in der Frage des Verbots der PKK und sogenannten PKK-nahen Organisationen?

Auf die Verbotslage nicht, obwohl man nach der letzten Kurden-Demonstration in Hamburg - wo die Polizei sich sehr zurückgehalten hat - eine schwache Hoffnung haben kann, daß einige Behörden Vernunft annehmen und bereit sein könnten, auf die immer wieder betonte Bereitschaft der kurdischen Seite zu einem politischen Gespräch einzugehen. Und es hätte die Konsequenz, daß die Presse unbesorgt vor eventueller staatlicher Verfolgung auf PKK-Originalquellen zurückgreifen kann. Das wäre für die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung über diesen Konflikt, der ja schwierig genug ist, sicherlich hilfreich.

? Sind Sie denn PKK-Sympathisant, wie Ihnen indirekt vorgehalten wurde?

Die Frage ist im Prozeß gar nicht aufgetaucht, obwohl der Richter nach der Verhandlung meinte, er fände meine Zeitschrift schon etwas einseitig. - Die Frage kann man nur sachlich beantworten. Wenn man sich zum Beispiel die Landverhältnisse in Kurdistan ansieht und die Agha-Wirtschaft (Agha: örtliche größere Grundbesitzer - ND), dann sind mir Kräfte, die dort für eine Landreform eintreten, auf jeden Fall sympathisch. Als die PKK noch legal wirken konnte, haben mir PKK-Freunde und -Mitglieder berichtet, sie würden in puncto Agrarreform gerade bei den Frühsozialisten, also Owen usw., nachforschen. Das finde ich einen relativ sympathischen Ansatz. Aber »Sympathisant« ist ein Rechtsbegriff, der im wesentlichen verleumdet.

? Es gibt von der »antinationalen Linken« zum Teil heßige Kritik an der PKK ob ihres »völkischen Ansatzes«.

Diese Kritik halte ich weitgehend für daneben. Es gibt schon immer eine befreiungsnationalistische Richtung, nicht nur in Kurdistan. Um einen völkischen Ansatz handelte es sich dann, wenn die PKK auf die Unterschiede zwischen den Kurden und den anderen dort lebenden Völkern Wert legen würde. Das ist aber nicht so. Man sehe sich zum Beispiel das kurdische Exilparlament an: Daran sind Assyrer und andere Völkerschaften beteiligt, von denen vorher überhaupt nicht die Rede war

? Es gibt immer mal wieder Vorwürfe, daß gerade kleinere Gruppen im kurdischen Bereich - Yeziden, Assyrer - häufig auch zur Zielscheibe der PKK würden.

Das habe ich noch nicht gehört. Ich kenne nur die letzte Stellungnahme eines Assyrersprechers auf der Bonner Kurdistan-Konferenz. Er schilderte, daß es früher verschiedenste Konflikt gegeben hat, auch zwischen Kurden und Assyrern, die von den herrschenden Kräften in der Region noch angestachelt wurden. Sein Eindruck sei aber, daß gerade Institutionen wie das Exilparlament und auch die Politik der PKK diese Spannungen abbauten. Führende Kurden hätten ihr Gebiet als einen »bunten Blumengarten von verschiedenen Völkern« bezeichnet und diesen Begriff sehr hervorgehoben. Das paßt ja auch zu den Verhältnissen im mittleren Osten.

Interview Thomas Ruttig

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