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  • Politik
  • Oskar Kokoschka - eine Ausstellung im Albertinum in Dresden

Die Gesichter dieser Welt

  • Gert Claußnitzer
  • Lesedauer: 6 Min.

Wie kaum ein anderer Maler des deutschen Expressionismus hat Oskar Kokoschka (1896-1980) in Dresden sich die allerhöchste Achtung verschafft. Und obwohl er nur wenige Jahre in dieser Stadt weilte und auch schon vor über sieben Jahrzehnten wieder von dannen zog, ist seine Wirkung offenbar bis heute nicht verblaßt. Die Ausstellung der Dresdner Staatlichen Kunstsammlungen im Albertinum, die jetzt in einer umfassenden Darstellung die Dresdner Jahre Kokoschkas dokumentiert, kommt daher einer Huldigung gleich. Und schließlich wird das Vorhaben noch von weiteren Veranstaltungen »am Rande« begleitet. Die Galerie Döbele präsentiert Künstler »Auf den Spuren Kokoschkas«, in Pulsnitz zeigt man seine lithographischen Bekenntnisse zu Hellas, und im Festspielhaus Hellerau kam es zu einer szenischen Anverwandlung seines Dramas »Mörder, Hoffnung der Frauen« durch den Wiener Bildhauer und Zeichner Alfred Hrdlicka. Jenes Drama hatte am 3. Juni 1917 im Dresdner Albert-Theater seine Uraufführung erlebt, mit dem jungen Heinrich George in der Hauptrolle. Alfred Kerr schrieb vom »Mysto-Skätsch« und schilderte das »Wechselbad seiner Gefühle«. In Hellerau griff man auch auf die Vertonung von Paul Hindemith aus dem Jahr 1922 zurück. Eine gewaltige Hommage ä Oskar Kokoschka demnach in Dresden, und der Name dieses Künstlers wird gewiß dadurch vermehrt ins Gespräch kommen.

Im Zentrum freilich steht die Ausstellung im Albertinum. Zum ersten Mal ist es gelungen, die Dresdner Werkgruppe Kokoschkas wieder an den Ort ihres Entstehens zurückzubringen. Da sind bis auf wenige Ausnahmen alle die großen Stadtländschaften mit Augustusbrücke und Neustädter Ufer zusammengekommen. Zwischen 1919 und 1923 vom Atelier auf der Brühischen Terrasse aus gemalt, offenbaren diese Bilder eine gänzlich neue , malerische Haltung Kokoschkas. Nichts Lineares, Konstruiertes ist darin. Farbe dynamisiert das Landschaftliche. Keine perspektivische Zeichnung des Raumes, sondern raumschaffende Kontraste, Tiefenwirkung und Modellierung werden allein der Farbe anvertraut. Und was für Farben! Etwas Rauschhaftes, Glühendes, Orgiastisches schwingt mit. Es ist eine Malweise außerhalb und gegen die Konvention.

Der Aufenthalt Kokoschkas in Dresden war aber dabei durchaus nicht sorgenfrei und sein Verhältnis zur Stadt mitunter auch ambivalent. Kokoschka war von Wien über Berlin nach Dresden gekommen, erstmals im September 1916. In Dr. Teuschers' Sanatorium auf dem Wei-ßen Hirsch läßt er sich behandeln. Als Folge seiner Kriegsverletzungen -leidet er an Gleichgewichtsstörungen. Vermittelt hat u. a. der Dichter Albert Ehrenstein. Kokoschka wohnt in der Pension j »Fel*' senburg«, einem ausgesprochenen Künstler-Domizil, wo er u. a. auf Walter Hasenclever und Ivar von Lücken stößt. Dresden ist ein »Exil« für namhafte Expressionisten aus Berlin, Wien und Prag. Der Sozialist Dr. Fritz Neuberger hat schon Hasenclever durch ein psychiatrisches Gutachten geholfen und seine Befreiung vom Kriegsdienst erwirkt. Er hilft auch Kokoschka, der bis Anfang 1919 immer wieder in das Teuscherssche Sa-

natorium zurückkehrt und an den Tisch in der Pension »Felsenburg«. Da finden sich die befreundeten Kriegsgegner, all die Dichter und Theaterleute, die gegen das militaristische und chauvinistische Deutschland opponieren und das satte Bürgertum verabscheuen. In ihrer Mitte findet Kokoschka seinen Platz.

Und dieser Kreis der Freunde wird immer wieder gemalt und gezeichnet. Eines der exemplarischen Beispiele ist das Gemälde »Die Freunde«'von 1917/18, das aus Linz nach Dresden kam. Es zeigt die Schauspielerin Käthe Richter, sie verkörperte die weiblichen Hauptrollen in Kokoschkas Stücken am Dresdner Albert-Theater, den Dichter Walter Hasenclever, den Arzt Dr. Neuberger, dazwischen den Kopf des Dichters Ivar von Lücken und als Rückenfigur im Vordergrund den Künstler selbst. Ein Bild, das ganz unmittelbar aus der Kraft des Erlebnisses schöpft. Kein Spiel mit leuchtenden Far-

Foto: Albertinum Dresden

ben nur und abgegrenzten Formen. In raschen Pinselhieben ist die Farbe gesetzt, und voller Ungestüm durchbricht der Maler hier die übliche ästhetische Disziplinierung.

In Zeichnungen hatte sich bereits angedeutet, daß Kokoschka individuelle psychische Verhaltensweisen interessieren. Im Gruppenbild gleichermaßen. Eine Zwiespache findet merkwürdigerweise nicht statt. Jeder ist gedankenverloren mit sich selbst befaßt/Hans Tietze bezieht sich einmal auf die Art und Weise, wie Kokoschka das Inhaltliche seiner Gruppenbilder auch im Formalen aufgehen läßt: »Der geistige Strom vollendet gewissermaßen innerhalb des Bildes selbst seine Bahn.« Auch Kokoschka selbst sagt dazu Treffendes: »Jeder in seiner Leidenschaft, nackt zum Erschrecken, und alle eingetaucht in eine Farbigkeit höherer Ordnung, die sie zusammenbindet wie das Licht ein Ding und sein Spiegel-

bild in eine Kategorie erhöht, die etwas vom Realen und etwas vom Spiegelbid hat und dadurch von beidem mehr «

Kokoschka und Dresden, das ist nicht zuletzt auch die Geschichte seiner Lehrtätigkeit an der Dresdner Kunstakademie. Der »Oberwildling«, wie man ihn seinerzeit in Wien genannt hatte, der »verrückte Kokoschka« mutierte in Dresden zum akademischen Professor Es war scheinbar ein Widerspruch, für die Kunstgeschichte indessen ein Glücksfall. Im Juli 1919 erhielt er die Berufung. Unterstützt hatte sie Robert Sterl. Und Kokoschka war ein kongenialer Lehrer Das haben viele seiner ehemaligen Schüler bezeugt, so auch Hans Meyboden, der hervorhob, daß Kokoschkas Wirken weniger auf das Bildermalen gerichtet war als vielmehr auf die »Empfindung für die Gesichter dieser Welt«. Es waren nur wenige direkte Schüler, die er in sein Atelier aufgenommen hatte, darunter auch den Dresdner Joachim Heuer. Größer war die Zahl derjenigen, die späterhin und eigentlich bis heute vor allem in Dresden durch sein Beispiel Anregungen erhalten haben. Die Ausstellung verweist auf einige Künstler, die der Malerei in der DDR das Gepräge gaben. Immerhin eine spektakuläre Besonderheit, da ja Kokoschka aufgrund seiner Äußerungen zu Ungarn-Aufstand, Mauerbau und Einmarsch in die Tschechoslowakei ein Tabu-Thema war. Die Beispiele sind freilich von marginaler Bedeutung, und es könnten beliebig viele hinzugefügt werden.

1923 endet der Aufenthalt Kokoschkas in Dresden. Der ruhelose Künstler hält Ausschau nach einem neuen Nährboden für seine Malerei. Er ist fortan in den Metropolen Europas zu Hause. Dresden aber ist mehr als eine bloße Episode in seinem Leben. Hier sind entscheidende Bilder gemalt worden, hier ist eine Malerei entstanden, nervös hingeworfen, voller Spontaneität und aus einer überreichen Farbpalette geformt. Trotz expressionischer Gebärde und ekstatischer Leidenschaft - man denke nur an die zahlreichen Bilder, in denen sich der Maler seinen ganz persönlichen Konflikten und Leiden zuwendet, auch dem »entfesselten Chaos« - durchpulst seine Kunst doch immer ein zutiefst humanistisches Anliegen, ist es der sittliche Ernst und Zwang, den er als das Grundsätzliche der Kunst betrachtet wissen will. Die Selbstbildnisse sind da vielleicht die klarsten Zeugnisse für die Widersprüche, in die., der Maler immer wieder geriet. Schließlich war er kein Mann der Selbstzufriedenheit, wie man vielleicht bemerken wird, und in Dresden blieb er wohl seinem Ruf als Nonkonformist ebenso treu.

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