Im Kraftfeld des Neptun

Astronomen erklären Entstehung des Kuiper-Gürtels

Am Anfang war eine rotierende Scheibe aus Gas und Staub. Darin formten sich auf Grund von gravitativen Wechselwirkungen vor Jahrmilliarden unsere Sonne, mindestens acht Planeten sowie eine Unzahl von kleineren Himmelskörpern. Die meisten dieser kaum 100 Kilometer großen Brocken wurden, sofern sie nicht dem Planetenaufbau dienten, alsbald ins Weltall geschleudert. Nur ein kleiner Teil blieb im Sonnensystem zurück. Ihre kosmischen Bahnen ziehen diese Objekte heute im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter sowie im so genannten Kuiper-Gürtel jenseits des Gasriesen Neptun. Zu den Kuiper-Gürtel-Objekten zählen manche Astronomen auch den Pluto und bezweifeln, dass dieser trotz eines Durchmessers von rund 2300 Kilometern ein »richtiger« Planet ist. Tatsächlich wurden in den letzten Jahren weitere Objekte außerhalb der Neptun-Bahn entdeckt, denen man auf Grund ihrer Helligkeit vorab Maße zuschrieb, die sie fast so groß wie Pluto erscheinen ließen. Als John Stansberry und seine Kollegen von der University of Arizona die bisherigen Beobachtungen jedoch mit Hilfe des Infrarot-Teleskops »Spitzer« überprüften, war das Ergebnis ein ganz anderes: Das größte derzeit bekannte Kuiper-Gürtel-Objekt mit der Bezeichnung 2002 AW197 reflektiert danach nicht vier, wie zunächst angenommen, sondern 18 Prozent des auf seine Oberfläche fallenden Lichts. Damit schrumpft nach der Theorie sein Durchmesser von 1500 auf rund 700 Kilometer, so dass die Ehre des Planeten Pluto fürs Nächste gerettet sein dürfte. Denn der kleinste Wandelstern unseres Sonnensystems ist nicht nur deutlich größer als 2002 AW197, er wiegt überdies zehn Mal mehr. Wie aber ist der Kuiper-Gürtel überhaupt entstanden? Auch bei der Beantwortung dieser Frage seien die Astronomen inzwischen ein gutes Stück vorangekommen, betont Alessandro Morbidelli vom Observatoire de la Côte d'Azur in Nizza im US-Fachblatt »Science« (Bd. 306, S. 1302 ). So haben er und Harold Levison vom Southwest Research Institute in Boulder (Colorado) in einem Modell vornehmlich den Einfluss des Planeten Neptun auf das äußere Sonnensystem untersucht. Denn kein Himmelskörper, der nach einer stabilen Bahn im Kuiper-Gürtel strebt, kommt an dem blauen Gasriesen vorbei. »Ursprünglich war der Raum jenseits der Neptun-Bahn leer«, erklärt Morbidelli. Das heißt: Es gab in der Frühphase unseres Sonnensystems keinen Kuiper-Gürtel. Aber auch der Neptun selbst umkreiste das Zentralgestirn zunächst in einer viel geringen Entfernung als heute. Dann allerdings verschob sich (aus weitgehend ungeklärten Gründen) seine Umlaufbahn um sieben Astronomische Einheiten nach außen. Eine Astronomische Einheit (AE) entspricht mit rund 150 Millionen Kilometern dem Abstand zwischen Erde und Sonne. Auf dieser langsamen Wanderung warf der Neptun kleinere und größere Himmelskörper aus ihrer Bahn und die meisten davon, fast 99,9 Prozent, für immer aus dem Sonnensystem. Nur ein winziger Rest bildete den Kuiper-Gürtel, der sich, vom Neptun aus gerechnet, heute 20 AE weit ins All erstreckt. In diesem Bereich kreisen einige Himmelsobjekte zudem auf besonders stabilen Bahnen um die Sonne, da ihre Umlaufzeiten zu denen des Planeten Neptun in Resonanz von 1:2 bzw. 2:3 stehen. Das heißt: Während diese Objekte die Sonne ein- bzw. zweimal umrunden, umkreist Neptun sie exakt zwei- bzw. dreimal. In einer solchen Art von Resonanz liegt nebenbei bemerkt auch die Stabilität der Pluto-Bahn begründet. Gleichwohl funktioniert dieser Mechanismus nicht perfekt für alle Zeiten, so dass manche Resonanzen bei der Wanderung des Neptun schon früh aufbrachen und die betreffenden Himmelskörper sich über...

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