Ein Banker, der den Mammon verachtet

Che und das Geld - Vor 45 Jahren wurde Ernesto Guevara Präsident der Nationalbank von Kuba

  • Hans-Volkmar Gaitzsch
  • Lesedauer: ca. 7.0 Min.
»Wie Sie alle wissen, bin ich gebürtiger Argentinier, von Beruf Arzt, zur Zeit jedoch in Ausübung meiner revolutionären Pflicht Präsident der Nationalbank Kubas.«
Che Guevara, Januar 1960.

Havanna, 26. November 1959: Pünktlich um sieben Uhr marschiert Ernesto Guevara in gereinigter Felduniform, begleitet von seiner fünfköpfigen Leibwache, leichtfüßig und immer zwei Stufen auf einmal nehmend in die Vorstandsetage der Nationalbank. Auf Vorschlag von Premierminister Fidel Castro ist der Comandante per Ministerratsbeschluss zum Präsidenten der Nationalbank Kubas ernannt worden und hat gleichzeitig alle Vollmachten eines Finanzministers erhalten.
Im Zusammenhang mit der Berufung erzählte man gern folgende Anekdote: Auf einer Versammlung der revolutionären Führung fragte Fidel seine Genossen, ob es unter ihnen einen erfahrenen Ökonomen gebe? Alle schwiegen. Nur Che, der - überarbeitet - kurz eingedöst war, hob sogleich die Hand. Fidel wunderte sich: »Seit wann bist du ein economista?« Che antwortete unbeirrt: »Oh entschuldige bitte, ich hatte mich verhört und glaubte, du benötigst einen guten comunista!« Und so wurde Che Presidente del Banco Nacional de Cuba (BNC). Was die Finanzexperten kalt erschauern ließ. Und selbst Ches Vater soll auf die Nachricht spontan geäußert haben: »Fidel muss verrückt sein. Jedes Mal, wenn ein Guevara ein Geschäft aufmachte, ging es pleite!«

Der Revoluzzer verfügte zu jener Zeit über keine speziellen Banker-Kenntnisse und machte auch keinen Hehl daraus. Allein seine sehr gute Allgemeinbildung und vor allem revolutionäre Zuverlässigkeit waren der Bonus für seine Berufung. Che wusste: Die Finanzen des Staates müssen dem Volke dienen.
Die meisten kubanischen Wirtschaftsexperten reagierten auf die Ernennung von Che mit größter Skepsis bis hin zu offener Ablehnung. Wie nicht anders zu erwarten, protestierte auch der neue USA-Botschafter Philip W. Bonsal aus anmaßendem »Gewohnheitsrecht« beim kubanischen Staatspräsidenten Osvaldo Dorticos, bekam aber keine Antwort. Die Zeiten der Batista-Herrschaft waren vorbei, wo sich ein US-Diplomat wie ein Statthalter aufführen konnte.
Die Proteste veranlassten allerdings Castro zu einer öffentlichen Erklärung, in der er versuchte, alle Kritiker mit den Worten zu beruhigen, dass Che »seine Funktion als Präsident der Nationalbank entsprechend der diesem Amt erforderlichen Würde« ausüben werde. Diese Versicherung konnte nicht verhindern, dass ein Ansturm von um ihre Geldeinlagen besorgten Kunden auf die Banken einsetzte. Die Nationalbank Kubas befand sich damals in einem ehrwürdigen, säulengeschmückten Steingebäude in der Arpatado No 736, einer engen Straße von Havannas Altstadt, und der Aufsehen erregende Einzug des Comandante wurde zum journalistischen Tagesereignis. Während Che im Chefsessel des Direktionszimmers unverzüglich die ersten notwendigen Maßnahmen vorbereitete, saßen im Vorzimmer die bis an die Zähne bewaffneten langhaarigen Burschen seiner Leibwache, die im Guerillakrieg zu seiner 8. Kolonne gehört hatten. Es war schon gewöhnungsbedürftig, dass diese »barbudos« und nicht eine adrette Sekretärin darüber zu entscheiden hatten, wer beim »Comandante Bankdirektor« vorgelassen wurde.

Als Che die Leitung der Nationalbank übernahm, fand er viele verlassene Schreibtische vor, da die meisten der leitenden Angestellten es vorgezogen hatten, sofort zu kündigen - wohl auch als Beistand für ihren bisherigen Chef, Dr. Felipe Pazos. Um das Leitungsvakuum zu beseitigen, berief Che seinen ehemaligen Mathematiklehrer Dr. Salvador Vilaseca zum Verwaltungsdirektor und holte sich mit Jaime Barrios und Raul Maldonado zwei chilenische Wirtschaftsexperten, die von Salvador Allende Kuba zur Verfügung gestellt worden waren, als Berater in die Vorstandsetage.
Bereits am Tage seiner Amtsübernahme trifft er dringend anstehende Entscheidungen, um die schwierige Devisenlage und das noch dem Profit dienende Kreditsystem unter (Volks-)Kontrolle zu bringen. Er verfügte den sofortigen Verkauf der in Fort Knox (USA) gelagerten kubanischen Goldreserven und ließ die Erlöse auf Konten kanadischer und schweizerischer Banken transferieren. Weiterhin bestimmte er die Genehmigungspflicht von Importlizenzen. Fast nebenbei setzte Che ein neues Entlohnungssystem für Bankangestellten in Kraft und verkündete, dass zukünftig das Höchstgehalt nur noch 350 Dollar betragen solle. Die Vorstandsmitglieder versuchten ihn davon abzuhalten, Massenkündigungen seien zu befürchten. Che sah dies gelassen und schockte die Anwesenden mit der Bemerkung, dass er dann Zuckerrohrschneider und Hafenarbeiter einstellen würde. Er selbst ging mit gutem Beispiel voran, begnügte sich mit dem Sold eines Comandante in Höhevon 440 Pesos und verzichtete auf die ihm als Nationalbank-Präsident zustehenden 1000 Dollar Monatsgehalt.
Ihm wichtig erscheinende Probleme erledigte Che unverzüglich und verfolgte deren Lösung mit intensivem Arbeitsaufwand. Es gab aber auch Aufgaben, deren Bearbeitung er offensichtlich verschleppte oder gar hintertrieb. So existierte bereits vor seinem Amtsantritt ein Regierungsbeschluss zum Neubau eines repräsentativen 32 Stockwerke hohen Nationalbank-Gebäudes, für das 16 Millionen Dollar bewilligt worden waren. Che empfand dies als Verschwendung, aber das in Kuba damals größte Invest-Vorhaben befand sich bereits in der ersten Bauphase, die Fundamente waren schon gesetzt. Den Auftrag hatte das Architektenbüro von Nicolas Quintana erhalten, dessen Entwürfe nur gegen Devisen zu beziehendes hurrikansicheres Glas für die der Meerseite zugewandte Fensterfront sowie Sicherheitsaufzüge vorsahen. Bezeichnend die ironische Bemerkung von Che gegenüber Quintana: »Wozu Aufzüge?« Entsprechend angelegte Treppen würden auch ihre Funktion erfüllen. Als er die entsetzten Blicke des Architekten bemerkte, fügte er entschuldigend seinem Sparsamkeitsmotiv hinzu: Wenn er als Asthmatiker die vielen Stufen zu seinem Büro bewältigen könne, wäre dies auch allen anderen Mitarbeitern und Besuchern zuzumuten. Auch bemängelte Che die Anzahl der geplanten Toiletten, auf die der Architekt schon aus hygienischen Gründen bestand. Unbekümmert entgegnete Che: »Der neue Mensch ist bereit, bewusst Einschränkungen dieser Art in Kauf zu nehmen.« (Erst nach Ches Weggang aus Kuba wurde auf der Bodenplatte der Invest-Ruine das Krankenhaus »Hermanos Ameijerimas« errichtet).

Obwohl Ches ungewöhnlicher Leitungsstil und die vordergründige Präsenz seiner Leibwächter die noch verbliebenen alten Bankangestellten zunächst stark verunsichert hatten, ließen sie sich dann doch von seinem revolutionären Schwung mitreißen. Seine ungewöhnlichen Bürozeiten indes blieben »berühmt-berüchtigt«, nicht nur bei Mitarbeitern, auch bei Journalisten und ausländischen Gästen, die auch nachts anzutraben hatten.
Trotz eines über 14-stündigen Arbeitstages beschäftigte sich Che intensiv mit finanzpolitischen Problemen, studierte die Geldtheorien von Marx und Keynes. Obwohl er ja überzeugt war, dass die »Schaffung des neuen Menschen« das Geld »überflüssig« mache.
Zum Zeitpunkt seiner Amtsübernahme zirkulierte eine seit 1949 umlaufende Banknotenserie, die von der »American Note Company« hergestellt wurde. Diese erhielt Ende 1959 von BNC den Druckauftrag zu einer modifizierten Ausgabe für 1960 mit veränderter Signatur, der Unterschrift des neuen Presidente del Banco: »Che« (s. Abb. 1). Die »seriöse« Bankerwelt reagierte auf diese Entweihung entrüstet. Für Che hingegen war es eine selbst-ironisierende Möglichkeit, seinen inneren Zwiespalt zwischen Amtspflicht und Geringschätzigkeit des Geldes auszudrücken.
Im Herbst 1960 unternahm Che als Leiter einer kubanischen Wirtschaftsmission eine zweimonatige Auslandsreise in sechs sozialistische Staaten (u.a. auch in die DDR), um das ökonomische Überleben der kubanischen Revolution durch den Abschluss von Handels- und Kreditverträgen abzusichern. Erste Station war Prag. Che erhielt vom Staatspräsidenten Novotny einen langfristigen Kredit über 20 Millionen Dollar. Im Gegenzug vergab er an die CSSR einen Druckauftrag für eine neue Banknotenserie.

Bei der Gestaltung der neuen Geldscheine wollte Che mit Porträts von kubanischen Nationalhelden auf den Vorderseiten Traditionen wahren und mit den Darstellungen zur jüngsten Revolutionsgeschichte auf den Rückseiten zugleich neue Wege beschreiten. Die Erstausgabe der in der CSSR gefertigten Banknoten zu 1, 5, 10, 20, 50 und 100 Pesos mit der Jahreszahl 1961 trug ebenfalls seine Unterschrift. Allerdings war Che zum Zeitpunkt der Emission dieser Zahlungsmittel schon nicht mehr BNC-Präsident.
Bereits am 20. Oktober 1960 hatte er während einer Fernsehdiskussion Journalisten und Zuschauer nebenher darüber informiert, dass er das Amt schon einige Tage nicht mehr ausübe. Sogleich rätselten alle: Warum das? Erst am 23. Februar 1961 wurde das Geheimnis gelüftet: Che war zum Industrieminister berufen worden. Dies blieb er bis zum Frühjahr 1965. Dann brach er zu einer geheimen Militärmission zur Unterstützung der Lumumba-Anhänger im Kongo auf. Und im November 1966 ging er nach Bolivien, wo er verwundet in Gefangenschaft geriet und am 9. Oktober 1967 von CIA-ausgebildeten Rangern in der Dorfschule von La Higuera kaltblütig ermordet wurde.

Dem Touristen auf Kuba begegnet Che noch heute nicht nur auf überdimensionalen Plakaten und Souvenirs jeglicher Art, sondern auch auf verschiedenen Geldscheinen. So emittierte die Nationalbank 1984 zum Gedenken eine 3-Pesos-Banknote. Die Vorderseite des rot-orangefarbenen Geldscheines zeigt in der Mitte ein gerahmtes Porträt von Che und auf der Rückseite diesen bei der freiwilligen Arbeit in der Zuckerrohrernte (Abb. 2 und 3). Anfang der 90er Jahre wurde von der Notenbank eine neue Geldscheinserie mit gleichen Motiven, aber verändertem Design und Farbgebung herausgegeben. Und eine Serie von Banknoten mit Abbildungen von Denkmälern kubanischer Nationalhelden, eine zeigt das (Abb.4) in Santa Clara stehende »Che-Monument«.

Unser Autor, Historiker und Numismatiker, hat im vergangenen Jahr eine Broschüre über »Das Geld des Che« veröffentlicht und arbeitet derzeit an einem Buchmanuskript.»Wie Sie alle wissen, bin ich gebürtiger Argentinier, von Beruf Arzt, zur Zeit jedoch in Ausübung meiner revolutionären Pflicht Präsident der Nationalbank Kubas.«
Che Guevara, Januar 1960.

Havanna, 26. November 1959: Pünktlich um sieben Uhr marschiert Ernesto Guevara in gereinigter Felduniform, begleitet von seiner fünfköpfigen Leibwache, leichtfüßig und immer zwei Stufen auf einmal nehmend in die Vorstandsetage der Nationalbank. Auf Vorschlag von Premierminister Fidel Castro ist der Comandante per Ministerratsbeschluss zum Präsidenten der Nationalbank Kubas ernannt worden und hat gleichzeitig alle Vollmachten eines Finanzministers erhalten.
Im Zusammenhang mit der Berufung erzählte man gern folgende Anekdote: Auf einer Versammlung der revolutionären Führung fragte Fidel seine Genossen, ob es unter ihnen einen erfahrenen Ökonomen gebe? Alle schwiegen. Nur Che, der - überarbeitet - kurz eingedöst war, hob sogleich die Hand. Fidel wunderte sich: »Seit wann bist du ein economista?« Che antwortete unbeirrt: »Oh entschuldige bitte, ich hatte mich verhört und glaubte, du benötigst einen guten comunista!« Und so wurde Che Presidente del Banco Nacional de Cuba (BNC). Was die Finanzexperten kalt erschauern ließ. Und selbst Ches Vater soll auf die Nachricht spontan geäußert haben: »Fidel muss verrückt sein. Jedes Mal, wenn ein Guevara ein Geschäft aufmachte, ging es pleite!«

Der Revoluzzer verfügte zu jener Zeit über keine speziellen Banker-Kenntnisse und machte auch keinen Hehl daraus. Allein seine sehr gute Allgemeinbildung und vor allem revolutionäre Zuverlässigkeit waren der Bonus für seine Berufung. Che wusste: Die Finanzen des Staates müssen dem Volke dienen.
Die meisten kubanischen Wirtschaftsexperten reagierten auf die Ernennung von Che mit größter Skepsis bis hin zu offener Ablehnung. Wie nicht anders zu erwarten, protestierte auch der neue USA-Botschafter Philip W. Bonsal aus anmaßendem »Gewohnheitsrecht« beim kubanischen Staatspräsidenten Osvaldo Dorticos, bekam aber keine Antwort. Die Zeiten der Batista-Herrschaft waren vorbei, wo sich ein US-Diplomat wie ein Statthalter aufführen konnte.
Die Proteste veranlassten allerdings Castro zu einer öffentlichen Erklärung, in der er versuchte, alle Kritiker mit den Worten zu beruhigen, dass Che »seine Funktion als Präsident der Nationalbank entsprechend der diesem Amt erforderlichen Würde« ausüben werde. Diese Versicherung konnte nicht verhindern, dass ein Ansturm von um ihre Geldeinlagen besorgten Kunden auf die Banken einsetzte. Die Nationalbank Kubas befand sich damals in einem ehrwürdigen, säulengeschmückten Steingebäude in der Arpatado No 736, einer engen Straße von Havannas Altstadt, und der Aufsehen erregende Einzug des Comandante wurde zum journalistischen Tagesereignis. Während Che im Chefsessel des Direktionszimmers unverzüglich die ersten notwendigen Maßnahmen vorbereitete, saßen im Vorzimmer die bis an die Zähne bewaffneten langhaarigen Burschen seiner Leibwache, die im Guerillakrieg zu seiner 8. Kolonne gehört hatten. Es war schon gewöhnungsbedürftig, dass diese »barbudos« und nicht eine adrette Sekretärin darüber zu entscheiden hatten, wer beim »Comandante Bankdirektor« vorgelassen wurde.

Als Che die Leitung der Nationalbank übernahm, fand er viele verlassene Schreibtische vor, da die meisten der leitenden Angestellten es vorgezogen hatten, sofort zu kündigen - wohl auch als Beistand für ihren bisherigen Chef, Dr. Felipe Pazos. Um das Leitungsvakuum zu beseitigen, berief Che seinen ehemaligen Mathematiklehrer Dr. Salvador Vilaseca zum Verwaltungsdirektor und holte sich mit Jaime Barrios und Raul Maldonado zwei chilenische Wirtschaftsexperten, die von Salvador Allende Kuba zur Verfügung gestellt worden waren, als Berater in die Vorstandsetage.
Bereits am Tage seiner Amtsübernahme trifft er dringend anstehende Entscheidungen, um die schwierige Devisenlage und das noch dem Profit dienende Kreditsystem unter (Volks-)Kontrolle zu bringen. Er verfügte den sofortigen Verkauf der in Fort Knox (USA) gelagerten kubanischen Goldreserven und ließ die Erlöse auf Konten kanadischer und schweizerischer Banken transferieren. Weiterhin bestimmte er die Genehmigungspflicht von Importlizenzen. Fast nebenbei setzte Che ein neues Entlohnungssystem für Bankangestellten in Kraft und verkündete, dass zukünftig das Höchstgehalt nur noch 350 Dollar betragen solle. Die Vorstandsmitglieder versuchten ihn davon abzuhalten, Massenkündigungen seien zu befürchten. Che sah dies gelassen und schockte die Anwesenden mit der Bemerkung, dass er dann Zuckerrohrschneider und Hafenarbeiter einstellen würde. Er selbst ging mit gutem Beispiel voran, begnügte sich mit dem Sold eines Comandante in Höhevon 440 Pesos und verzichtete auf die ihm als Nationalbank-Präsident zustehenden 1000 Dollar Monatsgehalt.
Ihm wichtig erscheinende Probleme erledigte Che unverzüglich und verfolgte deren Lösung mit intensivem Arbeitsaufwand. Es gab aber auch Aufgaben, deren Bearbeitung er offensichtlich verschleppte oder gar hintertrieb. So existierte bereits vor seinem Amtsantritt ein Regierungsbeschluss zum Neubau eines repräsentativen 32 Stockwerke hohen Nationalbank-Gebäudes, für das 16 Millionen Dollar bewilligt worden waren. Che empfand dies als Verschwendung, aber das in Kuba damals größte Invest-Vorhaben befand sich bereits in der ersten Bauphase, die Fundamente waren schon gesetzt. Den Auftrag hatte das Architektenbüro von Nicolas Quintana erhalten, dessen Entwürfe nur gegen Devisen zu beziehendes hurrikansicheres Glas für die der Meerseite zugewandte Fensterfront sowie Sicherheitsaufzüge vorsahen. Bezeichnend die ironische Bemerkung von Che gegenüber Quintana: »Wozu Aufzüge?« Entsprechend angelegte Treppen würden auch ihre Funktion erfüllen. Als er die entsetzten Blicke des Architekten bemerkte, fügte er entschuldigend seinem Sparsamkeitsmotiv hinzu: Wenn er als Asthmatiker die vielen Stufen zu seinem Büro bewältigen könne, wäre dies auch allen anderen Mitarbeitern und Besuchern zuzumuten. Auch bemängelte Che die Anzahl der geplanten Toiletten, auf die der Architekt schon aus hygienischen Gründen bestand. Unbekümmert entgegnete Che: »Der neue Mensch ist bereit, bewusst Einschränkungen dieser Art in Kauf zu nehmen.« (Erst nach Ches Weggang aus Kuba wurde auf der Bodenplatte der Invest-Ruine das Krankenhaus »Hermanos Ameijerimas« errichtet).

Obwohl Ches ungewöhnlicher Leitungsstil und die vordergründige Präsenz seiner Leibwächter die noch verbliebenen alten Bankangestellten zunächst stark verunsichert hatten, ließen sie sich dann doch von seinem revolutionären Schwung mitreißen. Seine ungewöhnlichen Bürozeiten indes blieben »berühmt-berüchtigt«, nicht nur bei Mitarbeitern, auch bei Journalisten und ausländischen Gästen, die auch nachts anzutraben hatten.
Trotz eines über 14-stündigen Arbeitstages beschäftigte sich Che intensiv mit finanzpolitischen Problemen, studierte die Geldtheorien von Marx und Keynes. Obwohl er ja überzeugt war, dass die »Schaffung des neuen Menschen« das Geld »überflüssig« mache.
Zum Zeitpunkt seiner Amtsübernahme zirkulierte eine seit 1949 umlaufende Banknotenserie, die von der »American Note Company« hergestellt wurde. Diese erhielt Ende 1959 von BNC den Druckauftrag zu einer modifizierten Ausgabe für 1960 mit veränderter Signatur, der Unterschrift des neuen Presidente del Banco: »Che« (s. Abb. 1). Die »seriöse« Bankerwelt reagierte auf diese Entweihung entrüstet. Für Che hingegen war es eine selbst-ironisierende Möglichkeit, seinen inneren Zwiespalt zwischen Amtspflicht und Geringschätzigkeit des Geldes auszudrücken.
Im Herbst 1960 unternahm Che als Leiter einer kubanischen Wirtschaftsmission eine zweimonatige Auslandsreise in sechs sozialistische Staaten (u.a. auch in die DDR), um das ökonomische Überleben der kubanischen Revolution durch den Abschluss von Handels- und Kreditverträgen abzusichern. Erste Station war Prag. Che erhielt vom Staatspräsidenten Novotny einen langfristigen Kredit über 20 Millionen Dollar. Im Gegenzug vergab er an die CSSR einen Druckauftrag für eine neue Banknotenserie.

Bei der Gestaltung der neuen Geldscheine wollte Che mit Porträts von kubanischen Nationalhelden auf den Vorderseiten Traditionen wahren und mit den Darstellungen zur jüngsten Revolutionsgeschichte auf den Rückseiten zugleich neue Wege beschreiten. Die Erstausgabe der in der CSSR gefertigten Banknoten zu 1, 5, 10, 20, 50 und 100 Pesos mit der Jahreszahl 1961 trug ebenfalls seine Unterschrift. Allerdings war Che zum Zeitpunkt der Emission dieser Zahlungsmittel schon nicht mehr BNC-Präsident.
Bereits am 20. Oktober 1960 hatte er während einer Fernsehdiskussion Journalisten und Zuschauer nebenher darüber informiert, dass er das Amt schon einige Tage nicht mehr ausübe. Sogleich rätselten alle: Warum das? Erst am 23. Februar 1961 wurde das Geheimnis gelüftet: Che war zum Industrieminister berufen worden. Dies blieb er bis zum Frühjahr 1965. Dann brach er zu einer geheimen Militärmission zur Unterstützung der Lumumba-Anhänger im Kongo auf. Und im November 1966 ging er nach Bolivien, wo er verwundet in Gefangenschaft geriet und am 9. Oktober 1967 von CIA-ausgebildeten Rangern in der Dorfschule von La Higuera kaltblütig ermordet wurde.

Dem Touristen auf Kuba begegnet Che noch heute nicht nur auf überdimensionalen Plakaten und Souvenirs jeglicher Art, sondern auch auf verschiedenen Geldscheinen. So emittierte die Nationalbank 1984 zum Gedenken eine 3-Pesos-Banknote. Die Vorderseite des rot-orangefarbenen Geldscheines zeigt in der Mitte ein gerahmtes Porträt von Che und auf der Rückseite diesen bei der freiwilligen Arbeit in der Zuckerrohrernte (Abb. 2 und 3). Anfang der 90er Jahre wurde von der Notenbank eine neue Geldscheinserie mit gleichen Motiven, aber verändertem Design und Farbgebung herausgegeben. Und eine Serie von Banknoten mit Abbildungen von Denkmälern kubanischer Nationalhelden, eine zeigt das (Abb.4) in Santa Clara stehende »Che-Monument«.

Unser Autor, Historiker und Numismatiker, hat im vergangenen Jahr eine Broschüre über »Das Geld des Che« veröffentlicht und arbeitet derzeit an einem Buchmanuskript.

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