Stammzellen-Banken in der Alpenrepublik?

Referendum über ein umstrittenes Gesetz

  • Hans Peter Gansner, Genf
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

In der Schweiz wird am Sonntag über das umstrittene Gesetz über Forschung an Stammzellen abgestimmt.

Wie anno dazumal in den Urdemokratien der mythologischen Vorzeit der Eidgenossenschaft müssen Herr und Frau Schweizer nun ihre Meinung darüber abgeben, ob ein Gesetz »Zellbanken zum Anlegen embryonaler Stammzellenkulturen« erlauben soll oder nicht. »Nur Stämme werden überleben!«, pinselten wir Basisdemokraten um 1968 auf die Mauern, als es noch keine Spraydosen gab. Und jetzt müssen wir darüber abstimmen, ob mit »embryonalen« oder nur mit »adulten« Stammzellen Forschung betrieben werden darf. Die meisten Parteien haben es sich denn auch leicht gemacht und »Stimmfreigabe« beschlossen. Die bürgerlichen Kreise sind »gemäßigt dafür«, warnen aber, wenn sie nicht allzu offensichtlich mit der Pharmaindustrie unter einer Decke stecken, vor allzu großen Hoffnungen für Kranke, die sich Heilung durch Fremdzellen herbeisehnen. Nur der offensichtlich von der Pharmaindustrie gekaufte Flügel der Ärzte und auch verschiedene international hoch dekorierte Professoren an Schweizer Hochschulen malen bei einem »Nein« geradezu mittelalterliche Zustände an die Wand. Während sich im Wissenschafts-Teil der bürgerlichen Presse Skepsis gegenüber den Stammzellen äußern darf, ist im politischen Teil doch das Ja überwiegend: Letztlich geht's auch um die eigenen Kassenschränke an der Bahnhofstraße, also um die eigenen Labors und Fabriken, und also um »eure Arbeitsplätze«! So werden in der »Neuen Zürcher Zeitung«, der »Prawda« des Kapitals, in schillernden Farben die idyllischen »Stammzellenbanken des Vereinigten Königreichs« in der Nähe von London ausgemalt, umgeben »von Einkaufszentren und Kuhweiden«, also fast wie in der Schweiz. Und hier zu Lande hat »Bank« natürlich immer einen besonders feinen Klang. Die Gegner geben zu bedenken, das Gesetz »würde das Klonen nach sich ziehen« und erlauben, »Embryos zu Forschungszwecken töten zu dürfen«. Von dieser Seite wird befürchtet, dass in den Schweizer Tiefkühltruhen schon bald massenweise Embryonen wie Schweinsschnitzel tiefgefroren gelagert werden, die dann nach Bedarf herausgenommen und zerschnipselt werden. Und das gelte es natürlich zu verhindern. Bei »adulten« (erwachsenen) Stammzellen hingegen sei es jetzt schon möglich, 56 Krankheiten zu behandeln. Zusammen mit irgendwelchen Evangelikern haben nur die Schweizer Grünen als landesweite Partei eine klare Nein-Parole herausgegeben. Nun aber zum schlimmsten Geschwader der Abwehrfront: Da haben wir die fundamentalistischen Brüder und Schwestern vom rechtskatholischen »Ja zum Leben«. Und da haben wir, wieder einmal, einen gewissen Herrn Freysinger, ein zugewanderter Österreicher, der sich am rechtsextremen Rand der Schweizerischen Volkspartei rassistisch betätigt und sich lauthals gegen das Stammzellen-Gesetz ausspricht. »Le Temps« schreibt über Freysinger, dieser Mann gehöre zu jenen rechtsextremen Splittergruppen, die in die Schweiz von noch vor 1789, also vor die Französische Revolution zurückwollen, »weil sie sich nie mit der Demokratie abfinden konnten«. Es wird ein haarfeines Ja erwartet. Aber weil die Frage tief ins Ethisch-Philosophische hineinlappt, kann man hier nun einmal »in guten Treuen verschiedener Meinung sein«, wie die Weisesten der Schweizer meinen, wenn sie keine Meinung haben oder sie nicht äußern wollen. Oder wenn es ihnen schlicht und ei...

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