Per Reform schneller zum Recht?

Dr. Evelyn Kenzler zu den Plänen der Justizministerkonferenz

Die 41-jährige Rechtsanwältin aus Berlin ist Vorsitzende der Vereinigung demokratischer Juristen.

ND: Die große Mehrheit der Länderjustizminister will die Justiz grundlegend reformieren. Nicht begeistert reagierten Bundespolitiker und Standesvertreter. Was meinen sie als praktisch tätige Anwältin?
Kenzler: Grundsätzlich kann man nichts dagegen haben, wenn die Justiz reformiert werden soll. Dazu gibt es zu viele Ecken und Kanten sowie Schwachstellen. Das betrifft teilweise die Qualität der Rechtsprechung, gerade in den Eingangsinstanzen, und die Dauer der Verfahren, wo es beispielsweise an Sozial- oder Verwaltungsgerichten erst nach Jahren Entscheidungen gibt. All diese Probleme belasten sowohl die Juristen als auch die Rechtsuchenden.

Können sie auf dem jetzt vorgezeichneten Weg beseitigt werden?
Da habe ich erhebliche Zweifel. Als ein Hauptziel wird zwar eine leistungsstarke Justiz genannt, aber Sparzwänge kommen gleich an nächster Stelle. Da die Justizhaushalte der Länder schon relativ bescheiden sind, muss man fürchten, dass diese weitere Abschmelzung auch zu Lasten der Qualität der Rechtsprechung gehen wird.

Was halten Sie von Plänen, die Zahl der Instanzen auf zwei zu verkürzen?
Dass nur noch in der Eingangsinstanz Tatsachen festgestellt werden sollen, ist problematisch, gerade im Strafrecht. Im Zivilprozessrecht gibt es ja schon jetzt nur noch eine eingeschränkte zweite Tatsacheninstanz. Das führt dazu, dass schon in der ersten Instanz viel stärker eine anwaltliche Vertretung notwendig wird, weil jemand, der nicht geschult ist im Recht, alles Mögliche vorträgt, aber nicht das, was entscheidungserheblich ist. Oder er trägt Dinge vor, die sich für ihn nicht positiv auswirken.

Und dann wären im Prinzip schon alle Messen gesungen?
Ja. Und das ist im Strafprozess ganz besonders prekär, wo Sanktionen doch sehr einschneidende persönliche Wirkungen haben können. Das würde sich dann nicht mehr reparieren lassen in der Rechtsmittelinstanz, so dass man vielleicht auch bei leichteren Taten auf anwaltliche Hilfe angewiesen wäre. Das zweite Problem ist, dass sich die Prozesse in der Eingangsinstanz aufblähen, weil natürlich die Anwälte darauf achten werden, dass sie nichts weglassen, was irgendwie wichtig werden könnte. Es wird vermehrt zu Beweisaufnahmen kommen. Man wird genau darauf achten, was im Protokoll steht. Es wird also auch viel mehr Streitigkeiten geben.

Also könnte das statt zur Verkürzung der Frist bis zu einer Entscheidung sogar zu einer Verlängerung kommen?
Ja, das ist zu befürchten.

Was halten Sie davon, Aufgaben der Justiz auszulagern, zu privatisieren?
Aus meiner anwaltlichen Erfahrung ist der Prozentsatz der Scheidungen, die überhaupt kein Streitpotenzial beinhalten, relativ gering. Wenn man das beim Notar relativ schnell und kostengünstig abwickeln könnte, was noch abzuwarten bleibt, dann kann man das befürworten. Aber in der Regel lassen sich die Betroffenen zunächst vom Anwalt über ihre Rechte beraten und außergerichtlich vertreten. Das ist beim Notar nicht möglich.

Was passiert, wenn man die Aufgaben von Gerichtsvollziehern privatisiert?
Dann ist zu befürchten, dass die Gebühren steigen und es zu Lasten der Rechtssicherheit geht.

Sehen Sie also die reale Gefahr, dass Recht vor allen Dingen der bekommt, der es sich leisten kann?
Ja. Es ist sicher nicht so, dass alle, die bedürftig sind, hinten runterfallen. Aber für diejenigen, die sich keine effiziente anwaltliche Vertretung leisten können wird es schwerer werden, zu ihrem Recht zu kommen.

Interview: Claus DümdeND: Die große Mehrheit der Länderjustizminister will die Justiz grundlegend reformieren. Nicht begeistert reagierten Bundespolitiker und Standesvertreter. Was meinen sie als praktisch tätige Anwältin?
Kenzler: Grundsätzlich kann man nichts dagegen haben, wenn die Justiz reformiert werden soll. Dazu gibt es zu viele Ecken und Kanten sowie Schwachstellen. Das betrifft teilweise die Qualität der Rechtsprechung, gerade in den Eingangsinstanzen, und die Dauer der Verfahren, wo es beispielsweise an Sozial- oder Verwaltungsgerichten erst nach Jahren Entscheidungen gibt. All diese Probleme belasten sowohl die Juristen als auch die Rechtsuchenden.

Können sie auf dem jetzt vorgezeichneten Weg beseitigt werden?
Da habe ich erhebliche Zweifel. Als ein Hauptziel wird zwar eine leistungsstarke Justiz genannt, aber Sparzwänge kommen gleich an nächster Stelle. Da die Justizhaushalte der Länder schon relativ bescheiden sind, muss man fürchten, dass diese weitere Abschmelzung auch zu Lasten der Qualität der Rechtsprechung gehen wird.

Was halten Sie von Plänen, die Zahl der Instanzen auf zwei zu verkürzen?
Dass nur noch in der Eingangsinstanz Tatsachen festgestellt werden sollen, ist problematisch, gerade im Strafrecht. Im Zivilprozessrecht gibt es ja schon jetzt nur noch eine eingeschränkte zweite Tatsacheninstanz. Das führt dazu, dass schon in der ersten Instanz viel stärker eine anwaltliche Vertretung notwendig wird, weil jemand, der nicht geschult ist im Recht, alles Mögliche vorträgt, aber nicht das, was entscheidungserheblich ist. Oder er trägt Dinge vor, die sich für ihn nicht positiv auswirken.

Und dann wären im Prinzip schon alle Messen gesungen?
Ja. Und das ist im Strafprozess ganz besonders prekär, wo Sanktionen doch sehr einschneidende persönliche Wirkungen haben können. Das würde sich dann nicht mehr reparieren lassen in der Rechtsmittelinstanz, so dass man vielleicht auch bei leichteren Taten auf anwaltliche Hilfe angewiesen wäre. Das zweite Problem ist, dass sich die Prozesse in der Eingangsinstanz aufblähen, weil natürlich die Anwälte darauf achten werden, dass sie nichts weglassen, was irgendwie wichtig werden könnte. Es wird vermehrt zu Beweisaufnahmen kommen. Man wird genau darauf achten, was im Protokoll steht. Es wird also auch viel mehr Streitigkeiten geben.

Also könnte das statt zur Verkürzung der Frist bis zu einer Entscheidung sogar zu einer Verlängerung kommen?
Ja, das ist zu befürchten.

Was halten Sie davon, Aufgaben der Justiz auszulagern, zu privatisieren?
Aus meiner anwaltlichen Erfahrung ist der Prozentsatz der Scheidungen, die überhaupt kein Streitpotenzial beinhalten, relativ gering. Wenn man das beim Notar relativ schnell und kostengünstig abwickeln könnte, was noch abzuwarten bleibt, dann kann man das befürworten. Aber in der Regel lassen sich die Betroffenen zunächst vom Anwalt über ihre Rechte beraten und außergerichtlich vertreten. Das ist beim Notar nicht möglich.

Was passiert, wenn man die Aufgaben von Gerichtsvollziehern privatisiert?
Dann ist zu befürchten, dass die Gebühren steigen und es zu Lasten der Rechtssicherheit geht.

Sehen Sie also die reale Gefahr, dass Recht vor allen Dingen der bekommt, der es sich leisten kann?
Ja. Es ist sicher nicht so, dass alle, die bedürftig sind, hinten runterfallen. Aber für diejenigen, die sich keine effiziente anwaltliche Vertretung leisten können wird es schwerer werden, zu ihrem Recht zu kommen.

Interview: Claus Dümde

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