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Behinderte fühlen sich »verarscht«

Sicherung der ambulanten Pflege verlangt Von Simone Schmollack

  • Lesedauer: 2 Min.

Skandal gestern in der Senatssozialverwaltung. Senatorin Beate Hübner (CDU) hatte zu einem Gespräch mit Behinderten geladen. Dieses sollte »vertraulich« sein, wie Staatssekretärin Verena Butalikakis sagte - und schickte die Journalisten vor die Tür. Zum Ärger der Rollstuhlfahrerlnnen. Die hatten auf Öffentlichkeit gesetzt, weil sie sich »verarscht« vorkommen, wie Martin Eisermann vom Bündnis für selbstbestimmtes Leben sagte.

Das Gespräch kam seiner Meinung nach ohnehin nur zustande, weil das

Bündnis vor knapp zwei Wochen damit gedroht hatte, das Gebäude der Senatsverwaltung zu besetzen. Nach der Debatte, ob die Presse zuzulassen sei oder nicht, blieb für das eigentliche Gespräch kaum noch Zeit. »Wahrscheinlich hat die Staatssekretärin von der Senatorin Order, nichts zu sagen«, murmelte ein Rollstuhlfahrer. Beate Hübner hatte wegen Krankheit abgesagt.

Die Behinderten beklagten, daß die Senatsverwaltung »nichts« tue, um den Behinderten »Vertrauen zu geben«. Grund ihres Protestes ist die Änderung des Paragraphen 3 a des Bundessozialhilfegesetzes, der die Garantie auf ambulante Pflege zurücknimmt. Danach können Be-

hinderte künftig in Heimen gepflegt werden, wenn eine Betreuung zu Hause teurer ist und die Heimunterbringung zumutbar erscheint. Für die Behinderten ist dies »unmenschlich in höchstem Ma-ße«. Sie fordern Garantie, daß in Berlin niemand aus Kostengründen gegen seinen Willen ins Heim abgeschoben wird.

Verena Butalikakis wiegelte ab: die neue Regelung betreffe nur jene, die nicht selber über sich entscheiden könnten, beispielsweise psychisch Kranke. Eine »Bestandsaufnahme« sichere denen eine Betreuung zu Hause, die sie jetzt schon in Anspruch nehmen. Mit einer »persönlichen Erklärung« könne einer Heimeinweisung widersprochen werden.

Nach Ansicht des Bündnisses sieht die Realität anders aus: Einem behinderten jungen Mann aus Hessen, der nach Berlin gekommen war, um zu studieren, waren im Herbst dieses Jahres vom Bezirksamt Kreuzberg die nötigen finanziellen Mittel verweigert worden, in einer eigenen Wohnung leben zu können. Statt dessen wurde er auf einen Heimplatz verwiesen.

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