So als Politikverdrossenheitspille

Martin Buchholz, der »Hassprediger des fundamentalistischen Kabaretts« bei den Wühlmäusen

  • Nino Ketschagmadse
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.
Hat eigentlich noch niemand entdeckt, wie gastfreundlich der Ruf »Ausländer raus!« ist? Statt weiter zu Hause im selbst gewählten Getto zu hocken und nicht integriert zu sein, sollen Fremde animiert werden, unter uns zu leben, frotzelt Martin Buchholz. Für seine nicht deutschen Zuschauer verlost der Kabarettist gleich mal eine Woche Abenteuerurlaub in der Sächsischen Schweiz. Dann zitiert er - damit seinen schwarzen Humor auch der Letzte im Saal kapiert - Phrasen zum »Protest wählen« von Brandenburgs Innenminister Schönbohm. In seinem Programm auf der Wühlmäuse-Bühne namens »Kotzalledem« würgt der »Hassprediger des fundamentalistischen Kabaretts«, wie Buchholz sich selbst gern nennt, aus Leibeskräften. Den Zuhörern bleibt bei so vielen galligen Bemerkungen der Lacher schon mal im Halse stecken. Gern zitiert der Alt-Westberliner seinen Kollegen Wolfgang Neuss. Und noch öfter reimt er, singt oder erzählt er Märchen über »Hänsel und Gerdel«, die zuerst dem Volk das Geld abnehmen, und dann, in den finsteren Medienwald geschickt, bei der Hexe Christiansen in der Röhre landen, in die das arme Volk allzu oft guckt. Was könne man auch in einem Land erwarten, wenn »Der Holzmichel« zur Nationalhymne wird? Zwischendurch lässt Buchholz das weg rennende Jahr Revue passieren. Nicht minder spitzzüngig und gemein, inklusive der Peinlichkeiten der Sprösslinge von Franz Joseph Strauß und der Skandale des Laurenz Meyer. Auch denkt Buchholz laut über die Zuschauer nach. Ist »DKP« (Deutsches Kabarett Publikum) überhaupt das richtige für seine Botschaften? Buchholz würgt über Parteigrenzen hinweg. Gern spottet er auch über Wirtschaftsbosse, über die neu entdeckte »Vaterlandsliebe«, über die »Aborigines« auf der deutschen Insel Mallorca, die sich so schwer integrieren lassen, und über den Präsidenten den USA, seinen »Dealer«, der ihn das ganze Jahr mit Stoff versorgt. Die Wortspielereien sind gut, vorausgesetzt, man bekommt sie bei Buchholz Redegeschwindigkeit immer gleich mit. Am Ende ist man mit einem satirischen Gegenmittel für Politikverdros...

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