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  • Politik
  • Hauptstadtforum Kultur: Disput zum Thema Bibliotheken

Virtuelle Medienwelt, Traum und Wirklichkeit

  • Ulrike Grohmer
  • Lesedauer: 3 Min.

Forum Hauptstadtkultur, ein neues. Im Mittelpunkt der von der Akademie der Künste und vom Rat der Künste initiierten Podiumsdiskussion standen am Montagabend die Bibliotheken. Ihnen, so könnte man meinen, geht es in der deutschen Hauptstadt vergleichsweise gut. Nicht nur Moderator Günter Beyersdorff, Chef des deutschen Bibliotheksinstitutes, fand es beachtlich, daß das Kreise-Papier des Kultursenators den Bibliotheken - im Unterschied zu vielen anderen kulturellen Einrichtungen keine Einsparung abverlangt, sondern strukturelle Ziele formuliert: die schnelle Modernisierung wissenschaftlicher Bibliotheken beispielsweise und ihr umfassender datentechnischer Verbund. Verbund heißt das Zauberwort auch für die öffentlichen Bibliotheken, deren neue Angebots-Konzepte gefordert sind.

In der Akademie der Künste versuchten die Leiter der wichtigsten wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliothe-

ken der Stadt gemeinsam mit Erich Thies, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Erfordernisse von und Forderungen an strukturelle Veränderungen deutlich zu machen. Zunächst etwas zögerlich kamen dabei auch die realen Hindernisse der Arbeit zur Sprache. Viel zu geringe Mittel für den Ankauf neuer Bücher zum Beispiel. Eine Bibliothek, die Personal einspart, kann deshalb nicht etwa mehr Bücher erwerben. Die hierfür eingesetzten Mittel stagnieren, und bei steigenden Buchpreisen heißt dies, daß sie sinken.

Ein großes Problem ist der bauliche Zustand vieler Einrichtungen. Ulrich Naumann, Bibliothek der Freien Universität Berlin, nannte die räumlichen Bedingungen der Bibliotheken von Humboldt-Universität und Technischer Universität völlig ungeeignet für die Einführung neuer elektronischer Technologien. - Die Liste wäre fortzusetzen, obwohl sich die Bibliotheken der Stadt einer hohen Akzeptanz erfreuen. Einer Forsa-Umfrage des Jahres 1996 zufolge hielten 90 Prozent der Befragten Bibliotheken für

wichtig oder sehr wichtig und 43 Prozent unterstützten ihre vorrangige Förderung. Gefördert wird in Berlin derzeit die Vereinigung der Amerika-Gedenkbibliothek und Stadtbibliothek zur Zentral- und Landesbibliothek. Deren Leiterin Claudia Lux will trotz des Geldmangels der Stadt eines nicht allzu fernen Tages den Besu-

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Jahr 200X geben. Und auch die meisten Stadtbezirksbliotheken klagen über bedrückende Enge, sehen wenig Chancen, ihren Bestand entscheidend zu modernisieren. Dies hat innerhalb der Verwaltung auch hausgemachte Gründe: Noch immer kämpfen die Leiter der Bibliotheken um größere Selbständigkeit, wird die Anschaffung eines Modems zum unlösbaren Problem.

Hier muß sich etwas ändern, darin waren sich die allzu vielen Podiumsgäste einig. Und einig waren sie sich auch, daß Nutzerfreundlichkeit die wichtigste Aufgabe der Bibliotheken ist - mit längeren Öffnungszeiten, verlockenden Angeboten zur Leseförderung und mit digitalen Medien, zu denen Bibliothekare viel zu lange zögerlichen Abstand hielten.

Unklar blieb leider, wie der Senat seiner Pflicht zur kulturpolitischen Orientierung nachkommt: Macht er es sich nicht allzu einfach, wenn er die fatale Situation vieler Stadtbezirksbibliotheken allein den Bezirken anlastet und mit dem Hinweis auf deren Globalhaushalte von sich schiebt? Geht es wirklich an, den notwendigen Neubau einer wissenschaftlichen Bibliothek mit dem Hinweis auf die kostenintensiven Zentren Charite und Adlershof an die Zeit nach der Jahrtausendwende zu delegieren? - Vielleicht sollten diese Fragen in der von Moderator Beyersdorff angeregten zweiten Debatte zum Thema dominieren, Einzelinteressen und -positionen wurden inzwischen deutlich.

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