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Heißer »Schnee«
Skisprung-Weltmeister wegen Drogen im Zwielicht Von Hans-Dieter Schutt
Das Häuflein junger Leute, das dieser Tage am Wiener Akademietheater vorbeizog, trug Plakate und Fotos zur Ehrenrettung von Andreas Goldberger, dem Ski-»Adler« des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV). Ein kleiner Protestzug, aber nur mit jener Kraft, die ein lauer Wiener Frühsommerabend halt aufbringen kann. Das Trüppchen verlor sich im nahegelegenen Eisstadion.
Auf einem der Plakate stand ein Zitat aus einem Song Jim Morrisons: »Vielleicht ist es ein Fliegen, bei dem du überlegen auf Vögel schaust: Du brauchst keine Flügel.« So sang Morrison einst über Drogen, und so ein Gefühl muß Andreas Goldberger auch kennen. Als Weltstar auf Sprungskiern, so dachten die meisten Fans bisher. Inzwischen ist bekannt: Österreichs Sprungwunder flog auch ein bißchen auf Kokain, der ÖSV hob daraufhin den pädagogischen Zeigefinger, sperrte Goldberger für sechs Monate.
Es schien langsam Gras über den heiklen heißen »Schnee« zu wachsen. Aber ein halber Skandal hat im beginnenden Sommerloch die Wirkung eines Schneeballs in der Hosentasche. In den Zeitungen häuften sich plötzlich die Porträts« eines gewissen Peter Kovac: Er, ein ehemaliger Disko-Chef, beschuldigte Goldberger weiteren Konsums von Rauschgift. Haschisch. Kovac wörtlich vorm Wiener Landgericht: »Ich möchte hiermit meine bezügliche Verantwortung in Sachen Goldberger dienlich ergänzen.« Um die journalistische Verantwortung in Sachen Verständlichkeit dienlich zu ergänzen, hiermit die Übersetzung: Kovac erstattete Anzeige gegen Goldberger. Der 24jährige, der nicht so erwachsen aussieht, wie er sein müßte, sieht nun plötzlich sehr alt aus.
Er muß sich zudem in weiteren Verfahren wegen des Besitzes und der Weitergabe von 20 Gramm Kokain (»vierzig volle Nasen«) verantworten. Die Anklage gegen Goldberger wurde vom Justizministerium allerdings noch nicht freigegeben - weil sie auf den Aussagen eines 23jährigen Dealers fußt, der, bereits abgepackt mit neun Vorstrafen, derzeit wegen Sucht-Kriminalität im Knast sitzt. »Die nächsten Wochen bringen Klarheit«, sagt ein Sprecher des Ministeriums, »es ist bloß schade, was ein von so vielen
Menschen geliebter Freunde hat.«
In jenen Medien, zu deren Philosophie die Ächtung von Nebensätzen gehört, erscheinen nun laufend Fotos, die Babyface
(joldberger in
Foto: Bongarts Weltmeister für
ments und auf obskuren Szene-Parties zeigen. Der britische Sportforscher Michael Rossman, Gastprofessor in Wien, nahm den Fall Goldberger im österreichischen Fernsehen zum Anlaß einer scharfen Auseinandersetzung: Heutiger Leistungssport vernachlässige seine »moralische Erziehungschance«; Sport habe seine ursprüngliche Fähigkeit der Charakterbildung zwar nicht verloren, aber mit seiner Integration ins Showgeschäft verschiebe sich bei jungen Aktiven sehr rasch der Maßstab für das, was als Charakter zu gelten habe. Disziplin, Aufopferung, Ausdauer, Willenskraft und Soliiiarverhalten hätten den Status vonsÜber-' gangseigenschaften, ums ans Eigentliche zu kommen. Rossman vergleicht die Situation mit der eines Höhlentauchers, der eine harte Weile entschlossen und konsequent die Luft anhält, um endlich befreit in einer Zauberwelt aufzutauchen, die zu erreichen das Zeugnis wahrer Charakterkraft sei. Und diese Zauberwelt bedeute: Glamour, frühe Autobiographien, Luxus, Medien, Omnipräsenz. Die Kehrseite sei halt eine »auf Dauer nicht zu hemmende kriminelle Energie«. Junge Menschen wie Goldberger begriffen oft zu spät, daß die auf »Lifestyle« zielende Welt von ihrer Präsenz ebenso genüßlich lebe wie sie genüßlich deren Verstoßung betreibe. Der Held muß steigen, damit er fallen kann. Und rote Andi-Bäckchen sehen dabei besonders appetitlich aus.
Inzwischen ist auch »ein Krieg der Worte« zwischen Österreichischem Skiverband und Goldbergers Anwälten ausgebrochen. Seit Wochen geht das Gerangel darum, daß der Springer zu Training und Tourneen seinen Privattrainer mitnehmen will. Nun hat er angekündigt, sich »vorbehaltlose Unterwerfung« nicht mehr gefallen zu lassen und die Lizenz beim OSV zu kündigen. Goldberger fühlt sich als »freier Unternehmer«, das ÖSV-Präsidium aber meint, »wir haben zuviel Geld in diesen Kader investiert - eine Freigabe kommt nicht in Frage«.
Das bedeutet, wenn Goldberger die Lizenzkündigung nicht zurückzieht: ein Jahr automatische Sperre, keine Olympiateilnahme. Einziger Ausweg wäre eine neue Staatsbürgerschaft, eventuell Luxemburg - doch unterm bestehenden Zeitdruck müßte selbst die dortige, als hurtig bekannte Bürokratie so weit über sich hinausspringen wie Goldi (am besten mit Kokain!) über den Schanzentisch.
Das kleine Häuflein übrigens, das für Goldberger protestierend am Wiener Akademietheater vorbeigezogen war, hatte wahrscheinlich keinen Blick dafür, welches Stück an diesem Abend auf dem Spielplan stand: »Endlich Schluß!« Das wünscht sich wohl auch Goldberger Noch der weiteste Flug hat ihn gelehrt: Gelandet wird in jedem Falle. Aber wo und in welchem Stil?
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