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  • Politik
  • Der Malerin Gabriele Meyer-Dennewitz zum 75.

Geldfresser sind mir ein Greuel

  • Dietmar Eisold
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Atelierwohnhaus von Gabriele Meyer-Dennewitz in Carwitz bei Feldberg läßt eher auf idyllische Bilder schließen, auf Stilleben mit wildem Klee und Margeriten, die gerade im Garten blühen, oder auf Ansichten von der sanft gewellten Hügellandschaft mit ihren eingestreuten Seeaugen. Dieses Fleckchen Erde ist eine Idylle. Gabriele Meyer-Dennewitz genießt zwar die Schönheiten ihres Anwesens und der Gegend, aber sie hat ihren wachen Sinn für Realitäten behalten.

Mit Aufmerksamkeit verfolgt sie das politische Weltgeschehen, aber auch die künstlerischen Entwicklungen wecken ihr ungeteiltes Interesse. Die rigorose Absage an die bildende Kunst, wie man sie beispielsweise jetzt von der documenta erfährt, stärken Gabriele Meyer-Dennewitz in ihrer Überzeugung vom Nutzen der Kunst. »Solange noch Menschen Interesse an einem künstlerisch geformten Bilde haben, das ihre Schaulust und Sehnsucht bedient, ihre Phantasie anregt und die Lebensfreude steigert, solange wird es bildende Kunst geben.« Sie ist überzeugt, daß die individuelle Sicht gefragt bleibt: »Ich bin Realistin genug anzuerkennen, daß es auch andere Kunstformen und Experimente geben muß, aber ich bin eben Realistin, und die werde ich auch bleiben.«

An ihrem 75. Geburtstag schaut sie mit Genugtuung auf ein produktives, erfülltes Leben zurück. Nicht mit nostalgischer oder elegischer Stimmung, sondern mit dem Engagement einer Junggebliebenen. Der jahrzehntelange Umgang mit jungen Menschen, die sie als Professorin für künstlerische Praxis und Leiterin des Fachbereichs Kunsterziehung der Karl-Marx-Universität Leipzig, betreute, hat sie geprägt. Fast drei Jahrzehnte hatte sie sich der Erziehung des Nachwuchses gewidmet. Noch heute erinnert sie sich an die Zeit mit ihren Studenten-. »Die waren wie Schwämme und wollten aufsau-

gen, mit einem Null-acht-fünfzehn-Unterricht war da nichts zu machen. Wir mußten nahezu jeden Tag etwas Neues erfinden, um die vielfältigen Bedürfnisse zu befriedigen. Höhepunkte waren jedes Jahr die Studienwochen hier in Carwitz.« Vor mehr als dreißig Jahren kauften sie und ihr Mann Hans Meyer den Bauernhof und machten das eingeschossige historische Fachwerkhaus in vielen Stunden Arbeit zu dem Schmuckstück, das es heute ist. Seit dem frühen Tod ihres Mannes trägt sie die ganze Verantwortung allein. In ihrem Atelier zeigt sie mir Bilder, die ahnen lassen, wie groß der Verlust für sie ist. Es sind Traumbilder, die sie nach dem Tagebuch ihres Mannes gestaltete. Es ist viel von Schutzbedürfnis und zerstörter Zweisamkeit in diesen Arbeiten die Rede. Die Art, wie Gabriele Meyer-Dennewitz auf den Tod ihres Mannes reagierte, nötigt Bewunderung ab. Ihre Trauer überwog nicht den Gedanken, daß das Leben weitergehen mußte. Mit 74 machte sie den Führerschein, um unabhängig von der Hilfe ihrer Nachbarn

im Ort zu sein. »Das war solch ein Ereignis«, sagt sie, »daß die Leute mehr über meinen Führerschein als über meine Bilder redeten«.

Die Arbeiten der Künstlerin sind bemerkenswert, nicht nur von der Technik her Gabriele Meyer-Dennewitz bevorzugt die Pastellstifttechnik. Da ist eine Art der Gestaltung, die weiche Übergänge der Kreide, ausnutzt und schwebende Gebilde schafft. Bei ihren jüngsten Bildern, den »Geldfressern« und den »Geldhortern«, erhält die Szenerie eine überwirklich-surrealistische Note, obwohl alles gegenständlich bleibt. In Bruegelscher Manier sind die modernen Geizkragen und Geldsäcke an den Pranger gestellt: »Diese Geldfresser sind mir ein Greuel!«, sagt sie. Sie erlebt seit Jahren den Kampf einer befreundeten Familie um das in Jahrzehnten ausgebaute Anwesen, und sie ist logischerweise dabei sehr parteiisch. In Arbeiten wie den »Geldfressern« legt sie unmißverständlich ihren Standpunkt dar

Das hat sie schon immer getan, als Studentin an der Leipziger Akademie für Grafik und Buchkunst, wo sie 1941-1944 bei Karl Miersch, Wilhelm Thiele und Hans Soltmann studierte, oder als Meisterschülerin von Max Lingner und Heinrich Ehmsen an der Deutschen Akademie der Künste in Berlin. Mit Dreißig übernahm sie Verantwortung für die Nachwuchsentwicklung an der Hochschule für Graphik und Buchkunst in Leipzig. »Aber das Gerangel um Posten, das damals herrschte, war mir nichts«, sagt Gabriele Meyer-Dennewitz rückblickend. Sie unterrichtete seit 1957 den Kunsterziehernachwuchs an der Karl-Marx-Universität.

Immer wenn es galt, Neuland zu betreten, neue Wege für die Kunst im Alltag der Menschen zu finden, war sie zur Stelle. Auch als Professorin war sie sich nicht zu schade für Experimente. So wirkte sie als Mitglied einer sozialistischen Brigade in der August-Bebel-Hütte in Helbra wie als Lehrerin auf Zeit für die Kinder von Carwitz, die eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung suchten. Jetzt läßt die quicklebendige Mittsiebzigerin zwar alles etwas geruhsamer angehen, aber die Arbeit an der geliebten Staffelei bleibt das Zentrum ihrer ausgefüllten Tage.

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