Cowboys statt Bundeswehrraketen
Aus Armeegelände soll Westernstadt werden Niedersachsen Von Torsten Borchers, Stade
Belum, ein kleiner Ort in Niedersachsen, könnte zum norddeutschen Mekka von Westernfreunden werden. »Cowboys« und »Indianer« aus Hamburg und dem Umland wollen auf einem ehemaligen Bundeswehr-Gelände eine Westernstadt errichten.
Nach rund 20 Jahren hatte 1993 die Bundeswehr die Flugabwehrraketenstellung 37 bei Belum (Kreis Cuxhaven) aufgegeben. Das 14,6 Hektar große abgezäunte Areal stand drei Jahre leer, bevor es ein Privatmann kaufte, der in unmittelbarer Umgebung einen Windpark errichten will.
Kaum einer hätte von dem Fleckchen Erde Notiz genommen - wenn nicht »die Cowboys« gekommen wären. Bundesweit gebe es rund 50 000 Hobbyisten, sagt Alfons van Compernolle, Vorsitzender des Hamburger »Vereins für nordamerikanische Kulturgeschichte und Freizeitgestaltung«. Allerdings sei ihre Zahl im Nor-
den Deutschlands noch nicht sehr groß. Der 1996 gegründete Verein hatte ursprünglich in Oldendorf (Kreis Stade) seine Westernstadt »Old Cattle Town« bauen wollen. Man kam mit dem ehrenamtlichen Bürgermeister ins Gespräch und fand bald ein Grundstück für Saloon, Kirche, Marshall-Office, Hufschmiede, Ställe und mehr. 21 Holzhäuser sollten im Laufe der Jahre entstehen.
Bürgermeister Heinsohn vermittelte das Grundstück und informierte die Lokalpolitiker. Die gaben zunächst grünes Licht. Doch in der Bevölkerung, die zunächst nicht informiert wurde, kursierte das Gerücht, Oldendorf werde zu einer Art Disneyland verkommen. Schnell gründete sich ein »Arbeitskreis gegen die geplante Westernstadt«. Einstimmig beugte sich der Gemeinderat den Bürgerprotesten und lehnte das Projekt in einer Sondersitzung ab. Es habe sich um ein ganz normales Grundstücksgeschäft gehandelt, beteuerte der Gescholtene. Daß er als Bürgermeister befangen sein könnte, weil er gleichzeitig Grundstücksvermittler und möglicher Kreditgeber war, hielt er für Unsinn. Andere Lokal-
politiker sahen das anders: Die Koalition von Wählergemeinschaft, SPD und Grünen zerbrach.
Um eine für Ende Mai in Oldendorf geplante Camp-Veranstaltung doch noch durchzuführen, zogen die Westernfreunde die B 73 Richtung Norden und landeten über Umwege auf dem ehemaligen FlaRak-Gelände in Belum. Bürgermeister Karl-Heinz Linck freut sich über die neuen Gäste, die sich bereits »gut im Ort integriert« hätten. Der Hort von Cowboys und Indianern könnte eine Attraktion für die Region werden. Im Juni wurde ein Pachtvertrag für das Gelände unterzeichnet, und seit ein paar Wochen verbringen Vereinsmitglieder ihren Urlaub in Belum, um das Gelände herzurichten.
Randalierer hatten sämtliche Fensterscheiben zertrümmert, sich an der Inneneinrichtung ausgetobt, Wasch- und Toilettenbecken zerschlagen. Cowboys und Indianer packen gemeinsam an. Baumstämme werden zerlegt, Scherben zusammengefegt, Scheiben eingesetzt. »Das ist noch viel Arbeit«, weiß Vereinsvorsitzender van Compernolle. Schließlich soll der Löwenanteil der Sanierung in Eigenleistung erbracht werden. Trotzdem: »Für uns wird in Belum ein lang gehegter Traum Wirklichkeit«, freut sich van Compernolle. »Wir wollen hier eine Plattform für unser Hobby schaffen und Geschichte zum Anfassen dokumentieren«, sagt der Hamburger Kfz-Meister, der mit schwarzem Anzug und Zylinder als Undertaker (Bestatter) unterwegs ist.
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