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ii]jimi.i]ii,i.i »Schwabenbande« zu Halle

Karosseriewerker aus der Saalestadt wollen gegen ehemalige Manager klagen Von Hans-Dieter Vater

  • Lesedauer: 3 Min.

Die der Liquidation der halleschen Karosseriewerke vor sechs Jahren könne »nicht mit rechten Dingen zugegangen sein«, so der 1. Bevollmächtigte der IG Metall, Günter Lorenz, dieser Tage vor Journalisten. Deshalb haben ehemalige Mitarbeiter ihre Kolleginnen und Kollegen zum 29. September dieses Jahres um 17.30 Uhr in die hallesche Verwaltungsstelle der IG Metall eingeladen, um ihre Forderungen auf Schadenersatz an ehemalige Manager des Werkes und der Treuhand für die jahrelange Existenzgefährdung durch Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit zu bestimmen.

Diese einmalige Initiative wurde offensichtlich durch Ermittlungen ausgelöst, die die Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen die »Schwabenbande« in Halle führt. In deren Ergebnis wurden der erste Privatisierungsdirektor der Treuhandniederlassung Halle, Swen Thomas Andreas, und der Liquidator der Karosseriewerke, der Stuttgarter Rechtsanwalt Karl Deffner, in Untersuchungshaft genommen. Ihnen wird vorgeworfen, wie es der Leiter der Stabsstelle Recht bei der Treuhandnachfolgerin BvS, Joachim Erbe, bestätigte, Bestechungsgelder in Höhe von acht bis zehn Millionen Mark erschwindelt zu haben. Allein für die Li-

quidation der Karosseriewerke mit ehemals 1200 Mitarbeitern sollen 5,7 Millionen Mark in die Taschen der beiden geflossen sein. Erregt erinnert sich die ehemalige stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Irene Michalk an die Täuschungen und Betrugsmanöver von Andreas und Deffner beim »Verkauf« des Werkes an die Südplan GmbH in Waiblingen bei Stuttgart für den Schleuderpreis von acht Millionen Mark. Im Kaufvertrag vom 24. Mai 1991 verpflichtete sich Südplanchef Ernst Dollinger, »für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren 711 Arbeitsplätze zu sichern und bis 1996 weitere 1289 Arbeitsplätze zu schaffen«, worauf die Treuhand auf den Kaufpreis in zweistelliger Millionenhöhe verzichtete. Aber anstatt Arbeit zu sichern, wurden alle Beschäftigten noch im Juli 1991 bis zu zweieinhalb Jahre in Kurzarbeit Null geschickt. Dem schwäbischen Käufer des Betriebes ging es offenbar allein um Grundstücke und Immobilien. Lutz Schneider, der 39 Jahre seines Lebens in den Karosseriewerken als Schlosser tätig war und 1992 mit einer billigen Abfindung nach Hause geschickt wurde, überfällt die kalte Wut, wenn er in diesen Tagen an seinem plattgewalzten Betrieb vorübergeht und auf einer großen Tafel lesen muß, daß hier jetzt ein Justizzentrum entsteht. Dafür wird die Landesregierung in zehn Jahren 30 Millionen

Mark Miete an einen Eigentümer zahlen, dessen Rechtsverhalten in der Vergangenheit zumindest fragwürdig erscheint. Daß die ominösen Vorgänge um die Privatisierung des Karosseriewerkes erst jetzt an die Öffentlichkeit gelangen, ist der Tatsache geschuldet, daß es Andreas und Deffner gelang, die Ermittlungen durch Rechtsmittel und fehlende Aussagen zu verzögern. Als Gewerkschafter Günter Lorenz vor vier Jahren schon auf nicht eingehaltene Kaufverträge, fehlende Bonitätsprüfungen und Immobilienspekulationen bei der Privatisierung von Metallbetrieben in der Saalestadt hinwies, waren es der Waiblinger Unternehmer Dollinger von der Südplan GmbH und der hallesche Industrieclub, die gegen den IG-Metall-Bevollmächtigten Strafantrag wegen »Verleumdung und übler Nachrede« stellten. Ein Gericht gestand dem Gewerkschafter zwar offene Worte zu, doch die »schwäbische Bande«, zu der auch der inzwischen in Stuttgart wegen gnadenloser Abzockerei in Ostdeutschland zu fünfeinhalb Jahren verurteilte Chef der Göppinger Bellino-Werke, Wolfgang Greiner und der Nachfolger von Andreas, Wilfried Glock, gehörten, blieb am Ball. Auch mit den jüngsten Ermittlungen, so der Rechtshüter der BvS, Erbe, sei ein Ende nicht abzusehen. Zwei weitere Liquidatoren seien in das Visier der Ermittler geraten.

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