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Chinas Präsident auf heikler Mission

Beim Staatsbesuch von Xi Jinping in Paris stehen der Ukraine-Krieg und die Handelsbeziehungen im Zentrum

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.
Aktivisten von Amnesty International fordern dazu auf, Xi Jinping zur Einhaltung der Menschenrechte zu drängen.
Aktivisten von Amnesty International fordern dazu auf, Xi Jinping zur Einhaltung der Menschenrechte zu drängen.

In Frankreich war Xi Jinping zuletzt 2019, während der französische Präsident Emmanuel Macron im April 2023 in China weilte. Wichtigste Themen des anstehenden Dialogs der beiden Staatschefs werden laut einem Kommuniqué des Élysée die Lage in der Ukraine und der Nahost-Konflikt sowie die bilateralen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen sein. Im Anschluss an seinen Besuch in Paris wird Chinas Präsident Ungarn und Serbien Besuche abstatten.

Um die Positionen von Paris und Berlin aufeinander abzustimmen und vorzubeugen, dass Xi die beiden Länder »auseinanderkoppelt«, kam Bundeskanzler Olaf Scholz am vergangenen Donnerstag noch einmal zu einem eintägigen Kurzbesuch zu Präsident Emmanuel Macron nach Paris. Beide Staatsmänner wollen versuchen, den chinesischen Präsidenten zu bewegen, seinen Einfluss auf Russland geltend zu machen, um den Kreml zu einer Beendigung des Krieges in der Ukraine zu drängen. Chinas Bemühungen um diplomatische Lösungen sind bislang erfolglos geblieben. Peking unterstützt in diesem Konflikt weiterhin Russland, auch wenn es offiziell seine Neutralität betont und es vermeidet, Waffen direkt an Russland zu liefern. Doch dessen Rüstungsindustrie erhält aus China elektronische Bauelemente und weitere Zulieferungen.

Macron und Scholz sind sich einig in der Befürchtung, dass ihre Länder und darüber hinaus ganz Europa Opfer der Spannungen zwischen den USA und China werden, insbesondere falls Ende des Jahres Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehren sollte. Da das auch Konsequenzen für die Zukunft der Nato haben dürfte, wollen Macron und Scholz weiter am Projekt einer gemeinsamen Verteidigung Europas arbeiten.

Frankreich, Deutschland und andere europäische Länder wollen ihre Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit China stärker »ausbalancieren«. Nicht zuletzt um die Einheit der Europäischen Union gegenüber China zu unterstreichen, wird zum Themenkreis der Wirtschaftsbeziehungen die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen am Montagnachmittag am Gespräch im Elysée zwischen Emmanuel Macron und Xi Jinping teilnehmen.

In diesem Zusammenhang ist dem chinesischen Präsidenten vor allem daran gelegen, dass die EU ihr im Oktober vergangenen Jahres eingeleitetes Verfahren gegen China wegen der massiven Subventionierung der Produktion und des Exports von Elektroautos einstellt. Dieses Verfahren mit dem Vorwurf von Wettbewerbsverzerrungen hatte der chinesische Botschafter in Frankreich, Lu Shaye, kürzlich als »Protektionismus« gebrandmarkt.

Demgegenüber hat Macron Ende vergangener Woche in einem Interview mit der britischen Wochenzeitung The Economist die EU-Länder aufgerufen, ihre »strategischen Interessen« und die »Anliegen ihrer nationalen Sicherheit« China gegenüber zu »verteidigen«, indem größter Wert auf Reziprozität in den bilateralen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen gelegt wird. »In zahlreichen besonders sensible Sektoren fordert China, dass die Produzenten chinesische Unternehmen sein müssen«, sagte Macron. »Also müssen wir Europäer umgekehrt dasselbe tun.«

Auf der Tagesordnung der Gespräche zwischen Emmanuel Macron und Xi Jinping stehen auch Fragen der Zusammenarbeit auf den Gebieten der Wissenschaft, der Kultur und des Sports sowie globale Themen wie gemeinsame Anstrengungen gegen den Klimawandel und für die Bewahrung des Artenschutzes sowie Maßnahmen gegen die Überschuldung der ärmsten Entwicklungsländer.

Das Thema Menschenrechte und vor allem die Diskriminierung chinesischer Minderheiten wie der Tibetaner oder Uiguren wird offiziell nicht erwähnt, dürfte aberim Dialog zwischen Macron und Xi eine Rolle spielen. In diesem Zusammenhang hat der öffentlich-rechtliche Fernsehsender France 2 am vergangenen Donnerstag in seiner investigativen Sendereihe Envoyé spécial darüber berichtet, dass die chinesischen Sicherheitsbehörden ihre Verfolgung von Andersdenkenden auch auf das Ausland ausweiten.

So sei zu beobachten, dass aus China entsandte Polizisten in Paris und anderen großen Städten Frankreichs – aber analog auch in etwa 50 weiteren Ländern – regelrechte Polizeireviere unterhalten, die sich nach außen hin beispielsweise als Vereine zur gegenseitigen Hilfe für Auslandschinesen ausgeben. Von hier aus würden gezielt in Frankreich lebende Chinesen beobachtet, die beispielsweise durch staatsfeindliche Stellungnahmen im Internet aufgefallen sind. Solche Personen würden aufgefordert, unverzüglich »freiwillig« nach China zurückzukehren. Sollten sie dem nicht nachkommen, werde angedroht, in der Heimat Familienangehörige stellvertretend für sie zur Verantwortung zu ziehen.

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