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bleiben explosiv

FPÖ fordert den Rücktritt von Minister Einem Von Hannes Hofbauer, Wien

  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Woche nach Festnahme des österreichischen Bombenbastlers scheint sich der Verdacht zu erhärten, daß der Mann ein Einzeltäter war. Die »Bajuwarische Befreiungsarmee« (BBA), die für 25 Briefbombenanschläge und vier Rohrbombenattentate verantwortlich zeichnete, könnte - so der Chefermittler - bloß im Kopf des Franz Fuchs existieren. Prompt geht die rechte Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) in die Offensive.

FPÖ-Vize Ewald Stadler forderte den vormaligen Innenminister und nunmehrigen Ressortchef für Wissenschaft und Verkehr, Caspar Einem, zum Rücktritt auf. Dessen Fahndungsstrategie habe die Erfolgsaussichten geschmälert, so der Vorwurf. Caspar Einem, ein linker Sozialdemokrat, habe die Einzeltätertheorie verworfen und diesbezügliche Nachforschungen unterbunden. Sein Interesse an der politischen Ausnutzung der Brief-

bombenaffäre sei demnach größer als der Wunsch nach Aufklärung gewesen. Durch die Fiktion einer rechtsradikalen Verschwörung sei die »Bajuwarische Befreiungsarmee« in die Nähe zur FPÖ gerückt worden, was dem SPÖ-Linken nur recht gewesen wäre.

Der oberste Sicherheitswächter der Republik, Michael Sika, bestätigte die Vorwürfe gegen Einem indirekt. Seit langem existierte ein Täterprofil des Kriminalpsychologen Müller, das von Einzeltäterschaft ausging. Erst eine ohne Einverständnis des Ministers erfolgte Publikation dieses Profils - so Sika - »trieb den Täter in die Enge«.

Aus dem größten Kriminalfall der Zweiten Republik ist ein Parteipolitikum geworden. Eine Einzeltäterschaft des Franz Fuchs würde der Bombenserie gegen »Ausländerfreunde« und Angehörige von Minderheiten tatsächlich viel von ihrem politisch rechten Charakter nehmen - Fuchs wäre mehr ein Fall für die Psychiatrie. Daher frohlocken FPÖ und weite Teile der Exekutive, obwohl manches ge-

gen die Einzeltäter-Theorie spricht: Bis jetzt ist die Werkstatt des Bombenbauers unbekannt, doch chemische Grundelemente und fertige Bomben wurden in seinem Haus gefunden. Auch das historische Wissen, das in Bekennerbriefen zum Ausdruck kam, wird Fuchs allein nicht zugetraut. Andererseits meldeten sich am Dienstag zwei Personen, die Fuchs als geistig fit beschreiben und ihm die Alleintäterschaft zutrauen. Ein Verwandter meldete der Polizei, mit Fuchs über die Bajuwarenherrschaft in Österreich diskutiert und besonderes Interesse festgestellt zu haben - was freilich auch dem Umstand geschuldet sein konnte, daß die BBA durch alle Medien geisterte. Ein ehemaliger Schulfreund des 48jährigen beschreibt Fuchs als Autisten, der nie mit Gruppenhierarchien zurecht kam.

Derlei Berichte sind Wasser auf die Mühlen der FPÖ, die schon immer jede rechts organisierte Täterschaft ausschloß. Fuchs selbst sprach bei seiner ersten Einvernahme davon, daß er nur ein »kleines Rädchen« in der Organisation der BBA sei und sich als »Auftragstäter« verstanden habe.

Viel Polizeiarbeit steht also noch bevor. Angesichts des politischen Drucks auf die Ermittlungsbehörden kann nicht ausgeschlossen werden, daß am Ende das herauskommt, was der stärkeren politischen Lobby gelegen ist. Die Bomben sind politisch nach wie vor hochexplosiv.

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