Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Sank Armut nach Sozialgipfel?

Erfried Adam

  • Lesedauer: 3 Min.

Der Vertreter der SPDnahen Fnedrich-Ebert-Stiftung ist Sprecher des Deutschen NRO-Forums Weltsozialgipfel aus über 40 nichtstaatlichen Gruppen.

ND-Foto: Jochen Reinert

? Den großen UN-Konferenzen wird oft Folgenlosigkeit vorgeworfen. Wie ist das zwei Jahre nach dem Weltsozialgipfel in Kopenhagen?

Auf nationaler wie internationaler Ebene gab es Aktivitäten, um eine globale Wirtschaftsordnung zu schaffen, in der das Soziale einen neuen Stellenwert bekommt. Allerdings muß man sagen, daß in der Praxis davon bisher relativ wenig zu verspüren ist.

? Laut Weltbank und UNO nahm seit 1995 weltweit die Armut zu statt ab.

Man muß das sehr differenziert sehen. Diese Berichte weisen nach, daß die absolute Zahl der Armen weiter zugenommen hat und sich dies in einigen Regionen besonders stark konzentriert, in Südasien oder Schwarzafrika. Aber gleichzeitig ist der Prozentsatz der Armen in den jeweiligen Gesellschaften zum Teil doch sehr deutlich zurückgegangen. Das gilt für einige Länder in Ost- und Südostasien, selbst für Indien und Teile Afrikas. Ich darf natürlich nicht verschweigen, daß in diesen Berichten sehr deutlich hervorgehoben wird, daß die Abstände zwischen Armen und Reichen in allen Ländern, insbesondere dann aber auch zwi-

sehen den Weltregionen, drastisch zugenommen haben. Das ist bei weitem nicht das, was man mit dem Stichwort einer ausgewogenen und auch nachhaltigen Entwicklung beschreiben würde.

? Ist die Rechnerei in Prozentzahlen nicht letztendlich eine Beschönigung?

Das ist absolut richtig. Insofern kann man sagen, daß da auch zuwenig getan wird. Allerdings ist das dann nicht nur ein wirtschafts- und sozialpolitisches Problem, sondern es ist auch ein demographisches. Auch die derzeitige Wettbewerbslage auf dem Weltmarkt ist so, daß viele Länder da überhaupt nicht mitkommen und daß auch in den Ländern, in denen insgesamt bisher eine positive Wirtschaftsentwicklung zu verzeichnen war, große Teile der Bevölkerung relativ wenig davon haben. Das, was sich jetzt auf Asiens Finanzmärkten vollzieht, hat natürlich auch wiederum erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Einkommenslage dort und somit auf die Situation der Armen, die weiter zurückgeworfen werden.

? Die Kehrseite' der Medaille: Politiker vor allen Dingen aus der regierenden Koalition bestreiten, daß es überhaupt so etwas wie Armut im Norden gäbe.

Es ist eindeutig so, daß auch hier die Armut zunimmt. Insgesamt erweitert sich der Anteil der Bevölkerung, der unter das mittlere Einkommen fällt, deutlich und drastisch. Und das Hauptproblem dabei ist die Arbeitslosigkeit. Wir gehen davon aus, daß falsche Konzepte vorliegen.

? Ein Argument ist, wenn man von Armut in Deutschland spräche, schlüge man den Armen in Kalkutta ins Gesicht.

Wir haben uns immer dagegen gewehrt, beide Situationen miteinander zu vergleichen. Armut bemißt sich immer an den relativen Möglichkeiten einer Gesellschaft.

? Eine der Forderungen des NRO-Forums war, daß auch die Bundesrepublik einen nationalen Armutsbericht erarbeiten soll. Wie weit sind Sie gekommen?

Es hat da keine Bewegung gegeben.

Gespräch: Thomas Ruttig

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal